vladimir bulat on Thu, 9 Dec 2004 14:29:58 +0100 (CET) |
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[Nettime-ro] De la Karen Kipphoff: MNAC |
please post on nettime-ro, i cannot get it through, thanks, karen > ---------- > From: Kipphoff, Karen > Sent: Thursday, December 9, 2004 10:56 AM > To: 'nettime-ro@nettime.org' > Subject: FW: ZEIT-Artikel despre MNAC ---------- > From: unknownUser@zeit.de > Subject: ZEIT-Artikel > > DIE ZEIT > > 47/2004 > > Die Kunst des Exorzierens > > Im monströsen Palast des rumänischen Diktators Ceausescu ist ein Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet worden Von Petra Kipphoff > Am Universitätsplatz in Bukarest treffen vier große Boulevards zusammen, und wer die Straße überqueren will,schaut sich lieber achtmal um, auch > wenn er grünes Licht hat. Die steinernen Kreuze, die auf einer kleinen > Insel im brausenden Verkehr stehen, gelten aber nicht, wie der von Autos > verfolgte Fußgänger vermutet, den Opfern des mobilen Mordens, sondern > denender Revolution im Jahr 1989. Damals, am 21. Dezember, glaubte der > Conducator Nicolae Ceausescu noch, den plötzlich ausgebrochenen Widerstand > gegen sein Regime mit Hilfe der Armee und der Securitate vernichten zu > können. Die Demonstranten wurden niedergeknüppelt oder erschossen. Am 22. > Dezember aber stürmten die Menschen das Gebäude des Zentralkomitees, > Ceausescu und seineFrau entkamen mit einem Hubschrauber, wurden aber wenig > später gefangen genommen. Am 25. Dezember erfuhren die Rumänen, dass, wie > man so sagt, kurzer Prozess gemacht und das Grusical-Paar erschossen > worden war. Viele Künstler blicken mit Hassliebe auf deneinstigen > Diktatorenpalast: Irina Botea schrumpft ihn auf Grashalm- und > SchuhgrößeAbbildungen: Katalog; www.mnac.ro > > In dem 1990 entstandenen Video East-West Avenue von zwei Mitgliedern der > Künstlergruppe subREAL sieht man Details eines offensichtlich imperialen > Gebäudes und kleine, im vertrockneten Gras am Wegesrand aufgestellte > Kreuze. Auf jeweils einem schwarzen Schild ist ein Vorname, ein Beruf, der > fromme Wunsch nach ewigem Frieden in krakeliger, weißer Schrift zu lesen. > Schilderwie diese hatten auch die Arbeiter, die zur Errichtung des > Ceausescu-Palastes abgestellt waren, irgendwo auf der Baustellein den > Boden gesteckt, in Erinnerung an ihre Kollegen, die hier zu Tode gekommen > waren, 400 sollen es gewesen sein. Von der Securitate wurden sie sofort > wieder entfernt. Die Künstler von subREAL, für die der so genannte Palast > des Volkes und seine Entstehung auch identisch sind mit der Geschichte des > politischen Terrors im Lande und der wechselnden Rollen von Täter und > Opfer, haben, ohne es zu wollen, mit diesem frühen, subtilen Video den > Grundstein gelegt für eine neue Institution im Hause Ceausescu:für das > Museu National de Arta Contemporana, in schöner Westmanier kurz mnac > genannt, das jetzt eröffnet wurde. > > Das mnac ist im Flügel E4 des Gebäudes eingezogen, mit dessen Errichtung > 1984 begonnen wurde. Ceausescu und seine Regierungsgenossen konnten nicht > mehr einziehen; noch heute wird in aller Stille und mit hohen Kosten > weitergebaut. Einige Künstler und Intellektuelle wollen den Einzug der > Kunst in dieses Haus nicht mitmachen und protestieren gegen diesen > Museumsort, in dem heute auch das Parlament seinen Sitz hat, dessen > Entstehungsgeschichte aber barbarisch ist. Ungefähr 1000 Jugendstil-und > Art-déco-Häuser, 25 Kirchen und Basiliken, Archive und Institute ließ > Ceausescu in Schutt und Asche legen, 70000 Bewohner umsiedeln, um sein > totales Staatseigenheim an einem besonders erdbebensicheren Platz > errichten zu können. Nachdem rund 20 Prozent der alten Bausubstanz von > Bukarest vernichtet waren, machten sich 700 Architekten und 17000 in drei > Schichten arbeitende Bauleute daran, unter der Ägide der 28-jährigen > Architektin Anka Petrescu einen quadratisch angelegten Bau mit einem > Grundriss von 270 mal 244 Metern und einer Fläche von 400000 Quadratmetern > zu errichten. Für die Umrundung des Palastes, circa vier Kilometer, > braucht man feste Schuhe und ungefähr eine Stunde Zeit. 1000 Räume, > aufgetürmt in Pyramiden bis zu einer Höhe von 86 Metern.Dazu drei > unterirdische Kellergeschosse mit Verkehrswegen und Sicherheitsräumen. Gut > drei Milliarden Dollar kostete der Palast,dessen Treppenhäuser und > Säulenkolonnaden aus landeseigenem Marmor und deren tonnenschwere 3000 > Kronleuchter aus Siebenbürger Kristall sind. > > Wenn man auf den Palast zukommt, ist er genauso real wie subREAL, eine > Fatamorgana, die näher rückt, Albtraum und Attrappe zugleich. Wenn man > dann, von einer zierlichen jungen Dame in Stilettostiefeln geführt und in > bestem Englisch instruiert, durch diefür Besucher freigegebenen Räume > geht, zwischen falsch proportionierten, kolossalen Marmorsäulen, auf klein > gemusterten Großraumteppichen und unter funkelnden Lüstern, dann erlebt > man die Tollwut des aus den Fugen geratenen kleinbürgerlichen > Wohnzimmers.Und erinnert sich an den besseren Geschmack der Despoten aus > anderem Haus, die ihre Untertanen zwar oft ausgebeutet, den Nachkommen > aber so manche architektonischen und künstlerischen Wunderwerke > hinterlassen haben. Einige Rumänen allerdings sind auch heute stolz auf > den Palast der Superlative. »Ein Fall von Amnesie«, sagt der > Kunsthistoriker Adrian Guta, der auch Bedenken hat angesichts der neuen > Nachbarschaft von Politik und Kunst. > > Nur vier Prozent des Palastes nimmt das mnac ein, so bescheiden war die > Familie Ceausescu, die in den nunvon der Kunst okkupierten 16000 > Quadratmetern leben sollte. Die Kunst übrigens hatte keine Wahl: Entweder > diese Lokalität oder gar keine, lautete das Angebot der Regierung. Was der > Künstler Dan Perjovschi, einer der schärfsten Kritiker des Museums, so > kommentiert: »Vorne das Parlament, hinten das Museum, Dr. Jekyll und Mr. > Hyde, drum herum Ödnis. Das ist die passende Metapher. Undso wird die > Kunst wieder als Propaganda genutzt.« Die Eröffnungsworte von Premier > Nastase, der nach der jetzt anstehenden Wahl gern das Präsidentenamt des > alten kommunistischen Parteikollegen Iliescu übernehmen möchte, scheinen > ihm Recht zu geben. »DiesesMuseum«, so der Präsident, der bei der > Eröffnungspressekonferenz so lange redete, dass keine Zeit mehr blieb für > Fragen, »bringtuns der Harmonie und Vielfalt Europas näher.« > > »Wir müssen das Haus exorzieren«, sagt Ruxandra Balaci, die künstlerische > Direktorin des mnac. Geboren 1965, hat sie Kunstgeschichte studiert, dann > in der kleinen Abteilung Moderne der Nationalgalerie, die im früheren > Königspalast residiert, gearbeitet.Die Mitarbeiter und Kuratoren (viele > davon nur mit Kurzzeitverträgen für die Zeit der Einrichtung und > Eröffnung) sind junge Künstler und Kunsthistoriker, oft auch beides > zusammen. Geschickt bewegt sich Ruxandra Balaci unter dem etwas koketten > Titel Rumänische Künstler (und nicht nur diese) lieben Ceausescus Palast?! > mit ihrer Eröffnungsausstellung in dem verminten Feld der Palastdebatte. > Wobei ihr und den anderen Initiatoren die Architektur des mnac > entscheidend zu Hilfe kommt. > > Mit nur wenigen Eingriffen hat der Architekt Adrian Spirescu aus einer > abweisend geschlossenen Fensterfassade ein einladendes Entree und aus > überdimensionierten Räumen vier Stockwerke im Menschenmaß für die Kunst > gemacht. Hat den verrotteten Travertin gereinigt, aber die Geschichte > nicht eliminiert. Im Parterre zum Beispiel zeugen die biedermeierlichen > Stukkaturennoch vom Geist des Hausdespoten. In den anderen Stockwerken > sorgen viel Tageslicht, einfache Stahlkonstruktionen und helle Holzböden > für eine offene Atmosphäre. Im obersten Stockwerk gibt es nicht nur eine > Bibliothek, einen Medienraum und eine Kaffeebar, sondern auch eine große > Terrasse. Hier kann man Luft holen, auf andere Teile des Palastes oder > hinunter auf die Brache schauen, die eigentlich ein französischer Park > werden sollte. Ähnlich wie die zwei gläsernen Fahrstühle, die der Fassade > links und rechtsvom Eingang einen Akzent verleihen und die Besucher > sichtbar und sehend herauf- und hinunterfahren, ist die Terrasse mehr als > nur eine periphere Annehmlichkeit. > > Lieben die Künstler den Palast? Die Ausstellung, sie geht über zwei > Stockwerke, beginnt mit drei Bildern, die Ceausescuso zeigen, wie auch > Tausende von Bildern in den Bruderstaaten den jeweiligen großen Führer > gezeigt haben: als milden Wohltäter,Freund der Werktätigen und der Kinder. > Doch wird diese Staatskunst durch so wenige Beispiele verharmlost und dem > Auftritt der oppositionellen Künstler etwas von ihrem kühnen Impetus > genommen. Leider fehlt auch eine historische Gruppierung. Alles steht > undhängt neben allem, und nur die schlecht erkennbaren Jahreszahlen sagen > dem Besucher, dass ein Werk wie Ion Grigorescus Video Dialog mit dem > Kameraden Ceausescu, ein doppeldeutiges schwarzweißes Spiel mit Masken und > Texten, schon aus dem Jahr1978 stammt und bis 1990 von der Zensur verboten > war. > > Für die jüngeren Künstler, denen politische Zensur eine Vokabel der > Geschichte und das Diktat des Marktes eine Realität ist,ist der Palast > eine Kulisse und Ceausescu mal ein Popstar, mal ein Monster. Mit leichter > Hand und schwarzer Tusche bekröntVlad Nanca auf einem Foto den Palast mit > Kirchenkuppeln, der Akt der Vernichtung der Gotteshäuser und der totale > Herrschaftsanspruch des Vernichters sind in dieser Überzeichnung ironisch > zusammengekommen. Aber meistens geht es knalliger zu bei den Jungen. > > Das größte Beispiel freilich für den singulären nationalen Eigensinn > bleibt Constantin Brancusí. Auch der Bildhauer wurde, wie Ceausescu, in > einem Dorf in den Karpaten geboren, im Jahr 1876. Seine frühen Arbeiten > sind traditionell, Porträtbüsten und jugendstilverträumt geneigte Köpfe. > Aber im Ensemble des Parks von Tirgu-Jiu mit dem Tisch des Schweigens, dem > Tor des Kusses und der Endlosen Säule bringt er die Natur der Materialien > und das Artifizielle der Gestaltung zu einer Einheit, die den Kreis > zwischen der Region und der Welt schließt. Brancusís Endlose Säule ist > natürlich auch ein Fall von Maßlosigkeit. Aber sie ist aus Holz und nicht > aus Marmor, kein Monument der Herrschaft, sondern ein Signal der > Sehnsucht. > > Zur Gründung des mnac und für die Eröffnungsausstellungen hat man sich > auch ausländische Kollegen in den Aufsichtsrat und alsKuratoren geholt. > Das ist grundsätzlich verständlich und nützlich. Diese Öffnung nach Westen > reduziert aber nicht den Einwand der Museumsgegner, die von Arroganz und > Unmoral sprechen angesichts der Tatsache, dass es keine Ausschreibungen > gab, keinen Wettbewerb, dass die Künstler nicht einbezogen wurden, als es > um das neue Museum ging. Das mnac ist gerade vor seinem ambivalenten > Hintergrund ein spektakulärer Anfang und, von der Architektur bis zum > Katalog, eine große Leistung. Aber irgendwann wird man hoffentlich auch so > weit sein, die widersprüchliche Geschichte der eigenen Moderne zu zeigen > und die Disparatheit der eigenen Gegenwart. »Die Existenz eines Museums > für zeitgenössische Kunst im Gebäude des Parlaments wird wie die > Nähmaschine auf dem Seziertisch niemanden überraschen, absurde > Kombinationen haben ihre Schärfe verloren«, schreibt der Künstler Dan > Mihaltianu, den Surrealisten-Wahlspruch von Lautréamont variierend. > > In Rumänien gibt es vor allem eine Tradition: die der großen Sprünge, > Kontraste und Widersprüche. Ceausescu war nicht der erste Tyrann und nicht > der letzte Gigantomane. Gerade hat der junge Architekt Augustin Ioan den > Wettbewerb für den Bau der Kathedrale in Bukarest gewonnen. Sie soll höher > sein als Notre-Dame und mindestens so hoch wie der Palast des Volkes. Dass > es nichtgenügend Geld gibt in Bukarest für die Betreuung von Aids-Kranken, > für obdachlose Waisenkinder und alte Menschen, scheint die Bischöfe so > wenig zu interessieren wie die Tatsache, dass es keinen Bedarf gibt für > diese Kathedrale in einer Stadt, die mit 350kleinen und größeren Kirchen > und Basiliken reich gesegnet ist. > > Sie stehen, kleine Inseln der Spiritualität, zwischen den großen Häusern > und hinter den Boulevards. Die Türen sind immer geöffnet. In einer dieser > Kirchen ist eine alte Frau beim Aufräumen und Putzen. Sie drückt einen > Kuss auf ein Ikonenbild, sprüht dann ein Reinigungsmittel auf das Glas und > poliert rasch nach. Draußen vor der Tür brennen Kerzen in einem > überdachten Kasten. Links für die Lebenden, rechts für die Toten. > --------------------------------- Noile abonamente Astral OnLine 256 kbps ; 12 USD/luna http://www.astral.ro _______________________________________________ Nettime-ro mailing list Nettime-ro@nettime.org http://amsterdam.nettime.org/cgi-bin/mailman/listinfo/nettime-ro --> arhiva: http://amsterdam.nettime.org/