sebastian.luetgert on Wed, 23 Feb 2000 12:00:52 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Oliver Marchart: "Dass wir Österreicher Deutsche sind" |
Jungle World 9/2000 »Dass wir Österreicher Deutsche sind« Jörg Haiders Kulturberater Andreas Mölzer stärkt die deutschnationale Traditionslinie der Freiheitlichen. Schon vor zehn Jahren verfasste der ehemalige Waffenstudent ein Lob des Nationalsozialismus. von oliver marchart, wien Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ist nicht einfach eine Koalition zwischen Rechten und Noch-Rechteren. Hier koalieren zwei politische Lager, die eine historische Intimfeindschaft miteinander verbindet, welche bis zu jenem Tag im Jahr 1934 zurückreicht, an dem putschende Nazis den austrofaschistischen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordeten. Was die ÖVP betrifft, so hat sie sich bis heute nicht vom Austrofaschismus distanziert. Im Parlamentsklub der ÖVP soll nach wie vor ein Dollfuß-Porträt prangen. Der Diktator wird als eine Art Widerstandskämpfer verehrt, der die österreichische Waldheimat verteidigte, denn für die ÖVP war der Austrofaschismus kein Faschismus, sondern katholische Notwehr gegen den gottlosen Nationalsozialismus. Die FPÖ wiederum repräsentierte das so genannte dritte Lager: Sammelbecken der ehemaligen Nazis und gesinnungstreuen Deutschnationalen. Somit muss man von Haiders »ambivalentem« Verhältnis zum Nationalsozialismus nicht allzu überrascht sein. Zwar gab es in der Partei ein liberales Intermezzo, doch säuberte Haider nach seiner Machtübernahme die Partei von liberalen Elementen und besann sich wieder auf die Tradition. Das Problem dabei: Das deutschnationale Wählerpotenzial ist in Österreich zu begrenzt. Nur in Kärnten, das sich immer als Bollwerk des deutschen Kulturraums gegen die slawischen Horden verstanden hatte, war es tendenziell größer. Es ist also keineswegs Zufall, dass Haider, der selbst Oberösterreicher ist, gerade in Kärnten zum Landeshauptmann aufstieg (wobei diese Karriere von seinem im Kärntner Landtag vorgebrachten Lob der Beschäftigungspolitik des »Dritten Reichs« unterbrochen wurde). Um aber gesamtösterreichisch bei Wahlen bis zur Mittelpartei aufzusteigen, musste er früher oder später die Partei - zumindest nach außen hin - auf eine austro-patriotische Linie einschwören. Zu diesem Zeitpunkt der Austrifizierung der Parteilinie wurde der damalige völkische Chefideologe der FPÖ, Andreas Mölzer, erst mal von Haider kaltgestellt. Nachdem Haider aber im Frühjahr 1999 zum zweiten Mal Kärntner Landeshauptmann geworden war (und Landeskulturreferent), besann er sich des alten Kameraden und machte Mölzer zu seinem offiziellen kulturpolitischen Berater. Selbst wenn die FPÖ heute als chauvinistische Österreich-Partei auftritt, lässt u.a. die zentrale Positionierung Mölzers darauf schließen, dass der Deutschnationalismus hinter den Kulissen weiterlebt (Haider selbst hatte einmal aus dieser Tradition heraus die österreichische Nation als »Missgeburt« bezeichnet). Mölzer sieht - in alt- wie in neurechter Manier - gerade in der Kultur das Schlachtfeld, auf dem das Erbe des Deutschtums verteidigt werden muss. Fuchsmajor Mölzers Kulturprogramm Vor ein paar Jahren noch hätte niemand im politischen Mainstream Mölzer auch nur mit einer Zange angefasst. Inzwischen ist er komplett normalisiert, er ist fester Kolumnist sowohl der konservativen Tageszeitung Die Presse als auch des Boulevardblatts Kronenzeitung. Da die FPÖ mit medientauglichen Intellektuellen sonst nicht aufwarten kann, ist es zumeist Mölzer, der regelmäßig von Zeitungen und Nachrichtenmagazinen zu Round-Tables und Gastkommentaren eingeladen wird. Mit Zur Zeit (ZZ) gibt er sein eigenes Magazin heraus, das mit der Jungen Freiheit kooperiert. In der ZZ wird kräftig gegen »Wehrmachtsdiffamierung« agitiert und des »Holocausts« an den Donauschwaben gedacht. Einmal kam man der »Auschwitz-Lüge« etwas zu nahe, als ZZ einen Artikel von Hans Gamlich publizierte, in dem die Vernichtung der Juden »mittels Zyklon B« angezweifelt wurde. Dass das dem Herausgeber Mölzer eine Anzeige wegen Wiederbetätigung einbrachte, hat kaum gestört. Kürzlich hat die IG Autoren einen Zufallsfund präsentiert, der Mölzers Ideologie in Manifest-Form komprimiert: Mölzers gesammelte Reden als Fuchsmajor im akademischen Corps Vandalia. Das Buch mit dem Titel »Das Waffenstudententum in Vergangenheit und Gegenwart« ist 1980 im einschlägigen Aula-Verlag erschienen und war nicht zum Verkauf im Buchhandel bestimmt, weshalb es auch 20 Jahre lang nicht ans Licht der Öffentlichkeit kam. In diesem Buch fasst Mölzer die Position des deutschnationalen »Waffenstudenten im heutigen Österreich«, also auch seine eigene Sichtweise, mit den Worten zusammen: »An erster Stelle steht die Liebe zum gesamtdeutschen Volk und zum deutschen Stamme in Österreich, sowie die Überzeugung von der unlösbaren Verbundenheit Österreichs mit dem deutschen Schicksal.« In diesem Zusammenhang entwickelt Mölzer die These, der Nationalsozialismus sei für die Waffenstudenten das »endlich erreichte Ziel und der Höhepunkt einer Jahrhunderte langen Entwicklung«. Der Abschnitt ist es wert, ausführlich zitiert zu werden: »Um die Entwicklung weiter zu verfolgen, muß man sagen, daß der Nationalsozialismus - ohne sich jetzt nur im geringsten auf eine diesbezügliche Diskussion einlassen zu wollen - für das Gros der Waffenstudenten das endlich erreichte Ziel und den Höhepunkt einer Jahrhunderte langen Entwicklung bedeutete. Man gab zum großen Teil die individuelle Existenz der einzelnen Korporationen gerne auf, da man sich ja nie als Selbstzweck gesehen hatte, sondern nur als akademischer Baustein zum höheren Ganzen. Das Streben von Generationen der Besten unseres Volkes schien sich zu erfüllen - national fürs Vaterland und dadurch fürs ganze Abendland -, für ganz Europa - und sozial für den einzelnen, den Schwachen, eingebunden in eine starke Volksgemeinschaft. Doch es kam anders, in grauenhaftem Inferno brach der Traum zusammen, zerstört, erniedrigt, beschmutzt lag im Kot der Geschichte, wofür Hunderttausende der Besten bereit waren, ihr Leben zu lassen.« Wer nun glaubt, die Vorstellung dieses Machwerks vor der Presse hätte einen Skandal ausgelöst, unterschätzt das Ausmaß der Normalisierung des Rechtsextremismus in Österreich. In den überregionalen Medien gab es dazu - im besten Fall - eine Kurzmeldung. Mölzer selbst verwies lakonisch darauf, dass es sich um ein Jugendwerk handele, distanzierte sich aber nicht davon. Auf Nachfragen des Kurier ließ er sogar wissen, dass seit der Öffentlichmachung der Schrift sein Ansehen gestiegen sei: »Die Leute sagen, endlich wissen wir, dass du kein Karrierist bist, sondern zu alten Gesinnungen stehst.« Daraus muss man schließen, dass Haiders Kulturberater seine Aussagen von 1980 heute nach wie vor unterschreiben würde. Das wiederum lässt Rückschlüsse auf die Inhalte seiner Beratungstätigkeit zu, denn das Buch enthält auch einen kulturpolitischen Maßnahmenkatalog, der für Mölzer wohl ebenfalls noch aktuell sein dürfte. So heißt es: »Erstes Kampfziel sollte wohl die Neuschaffung eines starken deutschen Kultur- und Geistesbewußtseins darstellen.« Nicht als Selbstzweck und nicht nur für Deutschland, »sondern im Dienste Gesamteuropas, des gewordenen Abendlandes (...) und damit zum Guten der ganzen Menschheit, des ganzen Planeten«. Aber »in der Mitte«, wohlgemerkt, stehe immer noch »Deutschland, das deutsche Volk, durch tausend Jahre Mittler und Kristallisationspunkt aller bedeutenden Ideen der abendländischen Geschichte«. Für Österreich ergebe sich daraus eine klare historische Mission: »Das Bewußtsein, daß wir Österreicher Deutsche sind, muß wiederbelebt werden. (...) Auf dieser geistigen Grundlage müßte die Wiedergeburt eines echten politischen Willens des gesamten Volkes angestrebt werden, welcher sich in der Folge auch in der realen Politik der staatlichen Hoheitsträger auswirken muß.« Fremdwörter raus! Zur »Belebung des Deutschtums im kulturellen Bereich« schlägt Mölzer unter anderem Maßnahmen zur »Selektierung« von Fremdwörtern, zur Revision der Geschichte und zur Kenntlichmachung der nicht-deutschen Kultur vor: Sprachreinigung: »Reinhaltung, Förderung und positive Fortentwicklung der deutschen Sprache, Selektierung von Fremdwörtern, Arbeit zur Sprachförderung in Gebieten mit Mischbevölkerung und Vertiefung der sprachlichen Inhalte«. Geschichtsrevision und -kontrolle: »Kontrolle und Intensivierung des Geschichtsunterrichts, wobei eine Umorientierung der Geschichtswissenschaft Voraussetzung wäre, müßten eingeführt werden. Dabei sollte aufgezeigt werden, wo und wie wir Deutschen in Bezug auf unsere eigene Geschichte manipuliert wurden.« Völkische Kunst- und Wissenschaftsförderung: »Wissenschaftler und Künstler, die in ihrer Tätigkeit das deutsche Volk repräsentieren, müßten verstärkt gefördert werden. Im gesamten kulturellen und künstlerischen Bereich müßten eigenständige deutsche Bemühungen unterstützt werden, wobei nach und nach das Fremde, Aufgepfropfte zwar nicht als schlecht, aber doch als nichtdeutsch erkennbar gemacht werden müsste (siehe moderne Musik).« Mölzer ist immer noch Kolumnist der Presse und immer noch offizieller Berater das Landeskulturreferenten von Kärnten. Eine Kärntner Galeristin erklärte unlängst in einem Kommentar, dass die »Frage, ob man um eine Subvention ansuchen soll«, sich für viele Kulturschaffende in Kärnten erst gar nicht stelle, »weil sie wissen, dass einem dann ein Herr Mölzer als Gesprächspartner gegenübersitzt«. Das FPÖVP-Kulturprogramm Die österreichische Situation könnte also ironischer nicht sein: 55 Jahre nach Kriegsende hat das »dritte Lager«, das für sich genommen ein Wählerpotenzial von nicht einmal 5 Prozent hätte, mit Hilfe eines patriotischen Wahlkampfs und mit Hilfe der ÖVP die Staatsmacht errungen. Die daraus entstandene seltsame Mixtur aus Deutschtümelei und Österreichtümelei schlägt sich auch im Regierungsprogramm nieder. Die ÖVP/FPÖ-Koalition hatte an die Öffentlichkeit appelliert, man möge sie nicht an früheren Aussagen Haiders, sondern an ihrem aktuellen Regierungsprogramm messen. Doch auch in diesem Programm fühlt man sich streckenweise an die Mölzersche Geisteswelt erinnert. Neben der projektierten Zwangsarbeit für Langzeitarbeitslose und der Verschmelzung von Wirtschafts- und Arbeitsressort, also der Identifizierung von Arbeitnehmer- mit Arbeitgeberinteressen, in einem einzigen Ministerium (diese Zusammenlegung war zuletzt Hitler eingefallen; innerhalb der EU ist es einzigartig), ist es vor allem der an eventuelle Zahlungen an Zwangsarbeiter geknüpfte Revisionismus, der tief blicken lässt. So heißt es in einem Atemzug, die Regierung strebe »sachgerechte Lösungen in den Fragen aller im Zuge des Zweiten Weltkrieges zur Zwangsarbeit gezwungenen Personen, der österreichischen Kriegsgefangenen sowie der infolge der Benesch-Dekrete (...) nach Österreich vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung« an. Irgendwie waren schließlich am Krieg alle gleich schuld, also kann man auch die von den Nazis verschleppten Zwangsarbeiter mit deutschen/österreichischen Kriegsgefangen bzw. Sudetendeutschen gleichsetzen. Ein Detail der Schreibweise ist aufschlussreich: Die Eindeutschung des Namens Bene`«s zu »Benesch« war bisher nur bei Deutschnationalen üblich, nicht jedoch in offiziellen Schriften der österreichischen Bundesregierung. Volk und Heimat In diesem Kontext muss man die Programmpunkte zur Kulturpolitik lesen. Zum einen entsprechen sie der neoliberalen Auslagerungsideologie und fordern die Einrichtung einer Nationalstiftung zur Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes, steuerliche Absetzbarkeit bei Kunstankäufen, Stärkung der »creative industries« etc. Zum anderen gibt es mit der Förderung des völkischen Provinzialismus und der Heimatkunst durchaus Entsprechungen zur deutschnationalen wie auch zur katholisch-ländlichen Kulturideologie der Koalitionsparteien. So verheißt die neue Regierung »die Förderung der kulturellen Ausdrucksformen der Regionen«, verspricht Volkskunst zu fördern und Volkskultur schwerpunktmäßig zu erforschen. Wie hieß das noch 1980 bei Mölzer: »Wissenschaftler und Künstler, die in ihrer Tätigkeit das deutsche Volk repräsentieren, müßten verstärkt gefördert werden.« Natürlich ist es nicht das »deutsche« Volk, von dem im Regierungsprogramm gesprochen wird. Das ist auch nicht notwendig. Mit der Förderung der regionalen Ausdrucksformen der Volkskultur ist ein gemeinsamer Nenner von deutschnational bis konservativ-katholisch gefunden. Für die Koalition erweist sich das als günstige Sprachregelung, denn mit »Volkskultur« treffen sich die Begriffe, auch wenn ein jeweils anderes Volk gemeint sein sollte. Solange man nur »Volk« sagt, können die einen das österreichische, die anderen das deutsche darunter verstehen; solange man nur »Heimat« sagt, können die einen die österreichische, die anderen die deutsche Heimat darunter verstehen. Eine ideale Lösung. Und so fanden - auch in der Kulturpolitik - zwei alte Intimfeinde zueinander. Nicht umsonst demonstrieren heute in Wien deutschnationale Verbindungen für einen katholischen Kanzler. Der arme Dollfuß ist umsonst gestorben. http://www.jungle-world.com/_2000/09/26a.htm ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost