Andreas Broeckmann on Wed, 15 Mar 2000 09:48:06 +0100 (CET)


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[rohrpost] grether: Toywar-Replik


from: reinhold grether

(Meine Antwortmail an Sebastian Luetgert wurde gestern
dreimal vom rohrpost-majordomo weggefressen; auch
Andreas Broeckmann raetselt, warum.)

[abroeck: da sitzt irgendwo ein admin request, durch den die nachricht
bounct; ich sehe den aber nicht - line 2 & 9 deleted ...]

*
*
>und etoy-kampagnen dieser welt, die bloss vertikal mit
>wired news und spiegel online kommunizieren und sonst
>niemand mit niemandem nirgendwas

Nach dem Auswurf eines Fahrrads ein Aufschrei aus
*
*
surrealer Aufmarsch, fuer Freund und Feind unfassbar,
und gerade dadurch fuer die Gegenseite hoechst beunruhigend.
Weil das Unfassbare mehr als alles andere die Phantasie
anheizt. Toywar war vom Konzept her Kunst, nicht Politik!
Und zwar Kunst, die der Realitaet ihre Wirkung aufzwingt
(insofern in der Tradition des Kunstterrorismus). Ein Event,
das der Eventkultur im Sinnes eines "to hype out the hype"
fuer einen Moment die Luft abschnuert. Weil nichts mehr geht.
Eine Art von Nichts, die Dir eigentlich gefallen muesste.

Ein zweites: Als Toywar am 1. Januar aufgeschaltet wurde,
war die heisse Phase der Auseinandersetzung schon
gelaufen. Es gab die oeffentlich erklaerte Bereitschaft des
Einlenkens, und deshalb kam alles auf einen nachhaltigen
Druck (hauptsaechlich auf der Investorenebene) an.
In dieser Phase konnte Toywar nur eine Rekrutierungs-
und Koordinationsfunktion uebernehmen. Bedeutet politisch:
Wir wissen nach wie vor nicht, was Aktionsplattformen in
"heissen Phasen" leisten koennen. Viele Tools wurden nie
installiert, weil der Moment dafuer nicht gegeben war.
Die Idee, Layers weltweiter virtueller Gruppen (die aus
Bekanntschafts- und Zufallselementen gemischt sind)
uebereinanderzulegen, scheint mir nach wie vor ein
interessantes politisches Konzept.

Punkt 1 war Kunst, Punkt 2 war Politik, Punkt 3 ist
Kommunikation. Ich bin seit kurzem Superuser fuer
Toywar und habe gerade die Kommunikationsstrukturen
analysiert. Richtig ist, dass das Kommunikationstool
von Toywar hauptsaechlich fuer (oft nicht gerade taufrische)
Informationen (one to many) und nicht fuer Multiloge
(a few with a few) genutzt wurde. Die Chatprotokolle
liefern da schon ein anderes Bild (aber Chat gab es erst
Tage vor der Kapitulation). Es darf zumindest vermutet
werden, dass die Querkommunikation in heissen Phasen
exzessiv anstiege (einschliesslich des Effekts, dass intensive
VL-Kontakte intensive VR-Kontakte ausloesen).

Etoy's Kunstkonzept ist, wie ich in meinem Telepolis-Beitrag
ausfuehre http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5768/1.html
Beteiligungskunst. Es gibt insgesamt 640.000 Shares, die nach
einem "sozialistischen" Schluessel ("jedem nach seiner Arbeit")
verteilt werden. So flossen 10% des Grundkapitals an Toywar.
Je mehr etoy's Kunst geschaetzt wird, um so mehr steigt der
gehandelte Wert der Anteilsscheine. Statt Objekte zu fabrizieren,
besteht das Kunstkonzept darin, den Marktwert des Kunstkapitals
zu steigern. Ich wuesste nicht, wie das ohne Kommunikationen
zu schaffen waere. Je mehr man sich auf die Etoy-Kampagne
einliess, in desto mehr Kommunikationen wurde man
hineingezogen. Es gab Tage mit hunderten an Kommunikations-
(nicht Informations!)mails. Fuer mich sind in den paar
Kampagnenwochen mehr globale Freundschaften entstanden
als in den zehn Jahren davor (also seit dem Beginn meiner
Globalisierungs- und Internetforschungen 1988 bzw 1994).
Und eine Grosszahl dieser Leute hatte nie voneinander gehoert.

Ich habe Zugang zum gesamten Kommunikationsintranet
von etoy, darunter allen Mails der Kampagne. Zai, etoy's
Pressesprecher, hat buchstaeblich mit hunderten von
Nicht-und-Niemals-Presseleuten kommuniziert. Vielleicht
haettest Du ihm, Sebastian, einfach einmal eine Mail
schicken sollen?



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