andreas sachwitz on Wed, 22 Mar 2000 14:20:23 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Fwd: [netaudio] (Fwd) Termin bei TCP/IP wegen Internet-Filterung |
>------- Forwarded Message Follows ------- >Date sent: Tue, 21 Mar 2000 14:32:57 +0100 >From: Felix von Leitner <leitner@codeblau.de> >To: intern@lists.ccc.de >Copies to: debate@fitug.de >Subject: Termin bei TCP/IP wegen Internet-Filterung > >Liebe Zielgruppe, > >heute um 10 Uhr morgens hatte ich über einen Bekannten einen Termin bei >der TCP/IP GmbH organisiert, die sich ja in letzter Zeit unrühmlich als >Pilot-Installateur der neuen mp3-Filter-Proxy-Technologie hervorgetan >hat. > >TCP/IP hat für Liquid Audio den (Exklusiv?)-Vertrieb in Deutschland >übernommen, und das Projekt mov-a-bit (www.moveabit.de) wird auch von >ihnen betrieben. Liquid Audio ist eine Art MP3 mit Kopierschutz. Weil >man es nicht kopieren kann, will es natürlich auch niemand haben, und so >floppt bei TCP/IP das Liquid Audio Projekt genau wie überall sonst. Uns >wurde mitgeteilt, daß man sich jetzt nach anderen Formaten umguckt, die >nicht server-abhängig sind und so, man wollte sich da alle Optionen >offenhalten. > >Die Lage stellt sich jetzt so dar, daß TCP/IP sich gerne der >Musikindustrie gegenüber als #1-Ansprechpartner in der Internet-Branche >positionieren möchte. Der Geschäftsführer hat uns mehrere Stunden lang >mit Details aus den organisitionellen Verknüpfungen der Musikindustrie >gelangweilt, d.h. der hat die letzten Jahre unter großen Schmerzen und >Entbehrungen das Gelaber der Musikindustrie erduldet und kennt dafür >aber viele in der Industrie und will das jetzt zu Geld machen. > >Die Musikindustrie ist gerade am Herunterfahren, weil sich dahinter die >Vertriebsstrukturen der CD-Brennereien verbergen, das sind nicht die >Künstler, nicht die Studios und nicht die Interessenvertretungen der >Künstler! Nun, die Musikindustrie ist zusehens obsolet geworden und >wirft jetzt ihre gesamte übrige Kohle auf monopolerhaltende Maßnahmen, >und die neueste Idee war eben, daß man doch im Internet Filter >installieren könnte. Die Experten der Phonobranche haben also Altavista >nach Internet Filter gefragt und sind bei Novell gelandet, die eine >Filterfunktion in ihrem Web-Cache-Proxy haben. Die Novell-Lösung >schlägt dafür dann auch mit der Kleinigkeit von rund DM 200.000 zu >Buche, die im Pilotprojekt im Moment wohl phononet trägt, das ist der >technische Arm der IFPI (die internationale Vereinigung des Phono- >Kartells). > >Die Situation ist im Moment folgende: > > 1. TCP/IP hat sich bereit erklärt, den phononet-Proxy zu installieren, > wenn ihnen dadurch keine Kosten, keine Nachteile für die Kunden und > keine Datenschutzprobleme wegen ihrer Kundendaten entstehen. > 2. Der Proxy ist kein Zwangsproxy, sondern wird nur von Phononet > intern benutzt, die auf ihrem Webserver offenbar hinter > irgendwelchen geheimen URLs MP3s installiert und in dem Proxy > geblockt haben, um zu gucken, ob das überhaupt funktioniert. > Dieser Pilotversuch ist jetzt gelaufen und phononet ist zufrieden. > 3. Es gibt keine Abmachungen zwischen phononet und TCP/IP bezüglich > Phase 2, d.h. der Installation eines Zwangsproxies bei TCP/IP. > Und wurde gesagt, daß Phononet sich offenbar denkt, daß die ISPs > die Kosten für den Proxy zahlen sollen. Und weil das natürlich > kein ISP machen will, haben sie gerade die Lobbyarbeit > hochgeschraubt, damit ein Gesetz erlassen wird, das den ISPs > vorschreiben würde, so einen Proxy zu installieren. > >Es ist an dieser Stelle wichtig zu sehen, daß phononet sich moralisch >voll im Recht wähnt. Ich hatte nicht den Eindruck, daß phononet oder >TCP/IP an dieser Stelle sich über die Auswirkungen einer nationalen >Filter-Infrastruktur Gedanken gemacht hat oder sich überhaupt dafür >interessiert. Das Gesetz ist aber noch nicht mal angedacht im Moment. > >TCP/IP hat auch keine Lust, für einen Proxy zu zahlen. Die haben sich >uns gegenüber eher als arme Opfer hingestellt, die das nur machen, damit >sich da eine selbstregulierte Lösung findet, bei der keine inkompetenten >Politiker irgendwelche schwachsinnigen Gesetze erlassen, aber das fällt >ja dann wohl aus, wenn die ISPs die Kosten tragen sollen. Unser >Eindruck war aber, daß die Phonoindustrie durchaus willens und >verzweifeld genug wäre, die Kosten komplett selber zu tragen, wenn sie >denn müßten. > >BGP-Spielereien habe ich durch die Blume anzusprechen versucht, da kam >keine Resonanz, also entweder war das eine Ente, oder sie wollen das >nicht publik machen. Insgeheim bin ich ja eh der Meinung, daß >BGP-Spoofer sofort vom RIPE ihren IP-Bereich entzogen bekämen. > >Die Zukunft zeichnet sich für mich so ab: > > 1. phononet wird erklären, daß der Feldversuch ein voller Erfolg war, > und daß Internet-Filterung nicht nur machbar sondern auch zumutbar > ist. > > 2. In der Politik wird diese Äußerung auf fruchtbaren Boden fallen, > weil gewisse Leute genau auf diese Aussage seit einigen Jahren > warten. > > 3. Man wird versuchen, einen Business Case zu finden, bei dem es sich > für ISPs lohnt, einen Filter zu installieren. Die ISPs werden aber > feststellen, daß die Bandbreite von Porno und MP3s bezahlt wird, > und daher wird das erfolglos bleiben. > > 4. Dann wird man es eben mit Gewalt versuchen und ein Zwangsproxy- > Installationsgesetz erlassen. Kombiniert mit dem Wartungszugang > für Law Enforcement ist das eine explosive Mischung. > >Wir haben TCP/IP zu vermitteln versucht, daß Sie sich als Anbieter von >gefiltertem Internet haftbar für versehentlich durchgelassenen illegalen >Content wären laut TKG, aber sie meinten, daß sie das nicht beträfe, >weil der Proxy ja phononet gehört. IANAL, aber ich kann mir nicht >vorstellen, daß die Phonoindustrie, die die Hälfte ihrer Zeit auf Erden >in Gerichtssälen zubringt, sich so ein Ei legen würde. > >Phase 2 der Aktion würde, wenn überhaupt, dann erst nach Verhandlungen >der Modalitäten zwischen phononet und TCP/IP anfangen, wobei TCP/IP wohl >kein Problem damit hätte, daß da überhaupt gefiltert wird, da müßte man >halt noch andere Gegenargumente finden. > >TCP/IP legte Wert darauf, phononet gegenüber und im Internet öffentlich >"schon immer" gesagt zu haben, daß das mit der Filter-Sache nicht so >toll ist, aber sie haben sich noch nicht zu einer Presseerklärung >durchringen können, in der sie schreiben, daß die Filter nicht >funktionieren, weil sie z.B. Napster weiterhin durchlassen. > >HTH, Fefe >-- >Janko Roettgers - roettgers@devcon.net - http://www.devcon.net/~roettgers/ > ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ de:Bug. elektronische lebensaspekte http://www.de-bug.de mailto:andreas@debug-digital.de ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost