Tilman Baumgaertel on 8 Aug 2000 21:08:13 -0000 |
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[rohrpost] Studie: Künstler sind ein Vorbild an Flexibilität |
Studie: Künstler sind ein Vorbild an Flexibilität -- Politik sollte die Kreativen in den Arbeitsmarkt integrieren --Von ddp-Korrespondentin Sabine Rothemann-- Berlin (ddp). Eine "intelligente Kulturpolitik" fordert Thomas Röbke in seiner Studie über die soziale Situation von Künstlern und das Verhältnis zwischen Kunst und Arbeitswelt. Röbke, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Nürnberger Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit tätig ist, zeigt darin die Notwenigkeit auf, dass Künstler nicht länger von der veränderten Marktlage in der Arbeitswelt isoliert werden dürfen. Es reiche nicht aus, ihnen ein Existenzminimum zu gewährleisten. Künstler betreiben seit jeher ihre eigene Vermarktung und regeln ihre finanzielle Lebenssituation selbst. Damit können sie nach Röbkes Auffassung Vorbild sein für heutige Erwerbstätige, die unter dem Druck zunehmend geforderter Flexibilität und Kreativität stehen. Deshalb liege es nahe, und es werde immer dringlicher, Kultur und Wirtschaft, Medien und Politik mit dem "Selbstunternehmen Kunst" eng zusammenzuschließen. Die Studie "Kunst und Arbeit. Künstler zwischen Autonomie und sozialer Unsicherheit" wurde von der SPD und der Philip Morris Kunstförderung in Auftrag gegeben. Herausgegeben wurde sie in der Reihe "Kultur in der Diskussion" vom Kulturforum der Sozialdemokratie. Röbke interviewte 40 Künstler aus verschiedenen deutschen Städten zu ihrer Lebenssituation. Im Unterschied zu anderen Erhebungen über die soziale Lage von Künstlern bleibt der Autor nicht dem Vorurteil verhaftet, dass ökonomischer Gewinn mit hehrer Kunst nichts zu tun habe. Die Aufgabe der Erwerbstätigen, auf die Entwicklung digitaler Technologie und die damit verbundenen neuen Anforderungen globaler Märkte zu reagieren, hat den Arbeitsbegriff in der postmodernen Gesellschaft grundlegend umgestülpt, schreibt Röbke. Da hinkten die Lebensformen und Erwerbsweisen von Künstlern noch weit hinterher. In den letzten zwanzig Jahren bestimmten allein die Kunstmärkte, was als Kunst galt. Eine Krise Anfang der 90er Jahre verschärfte noch die ökonomische Situation freier Künstler. Trotz dieser bedrohlichen Lage ist nach einer Untersuchung des Wissenschaftszentrums Berlin zwischen 1978 und 1995 die Zahl der bildenden Künstler um 118 Prozent gestiegen, 70 Prozent verdienen sich jedoch neben ihre künstlerischen Tätigkeit noch in anderen Bereichen ein Zubrot. Ohne die Erweiterung von Netzwerkknoten zwischen Kultur und Wirtschaft, Medien und Politik lasse sich die Selbstverwaltung von Kunst nicht mehr aufrechterhalten und der harte Konkurrenzkampf nicht entschärfen, fand Röbke heraus. Im Internet sei ein reger Austausch dieser Bereiche fast schon selbstverständlich. Mit der wachsenden gesellschaftlichen Attraktivität von Kunst ergeben sich allerdings auch neue Begrenzungsschwierigkeiten, schreibt Röbke. So wird etwa die Unterscheidung von Kunst und Design schwieriger. Offen bleiben muss auch die Frage, ob es wirklich erstrebenswert ist, Kunstobjekte in einem auf Masseneffekt zielenden Kulturevent gänzlich aufgehen zu lassen, nach dem "Diktat" des veränderten Marktes. Im zweiten Teil der Studie geben die befragten Künstler auf diese Probleme sehr unterschiedliche Antworten. Der Berliner Künstler Eckart Meisel wendet sich beispielsweise gegen die Verwischung der Grenzen. Kunst müsse nach wie vor von Design klar unterschieden werden. Ein hübsches Bild auf einer Tasse sei Dekoration. "Das ist die Arbeit eines guten Designers", sagt Meisel. Ein Künstler müsse Inhalte aufzeigen, auch wenn er nichts daran verdiene. Der Performancekünstler Johan Lorbeer bedauert hingegen die Unfähigkeit der meisten Künstler, sich zu vermarkten. Ein Künstler müsse "intellektuelle Überzeugungsarbeit" leisten, verlangt er. Sich nur auf die Qualität der Arbeit zu verlassen, empfindet Lorbeer aber als unzeitgemäß. Neben der verstärkten Förderung von Künstlerhäusern fordert Röbke von der Politik den Ausbau des Beziehungsgeflechts zwischen Künstlern, Wissenschaftlern und Computerfachleuten in Unternehmen. Kunstmuseen sollen künftig nicht mehr nur Werke ankaufen, sondern zudem Praktikumsplätze für Künstler in lokalen Wirtschaftsbetrieben bereit stellen. Dadurch würden im angewandten Bereich gemischte Tätigkeitsfelder entstehen, in denen die Künstler ihren Platz finden. sar/uge ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost