Krystian Woznicki on 22 Nov 2000 19:53:47 -0000


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[rohrpost] EU-Kommission startet Debatte über Einwanderung


EU-Kommission startet Debatte über Einwanderung

Armin Medosch 22.11.2000
Wirtschaftliche Expansion und alternde Bevölkerung zwingen zum Umdenken

Die Kommission der Europäischen Union hat heute einen Diskussionsvorschlag 
über Einwanderungs- und Asylpolitik befürwortet, in dem die Ziele im Großen 
bezüglich dieser politisch brisanten Themen angerissen werden. In einer 
Pressemeldung dazu heißt es, die "Kommission ist darauf eingestellt, als 
Katalysator zu wirken und einen praktischen Beitrag zum Aufbau eines 
gemeinsamen Asyl- und Einwanderungsregimes der Mitgliedsstaaten zu machen. 
[...] Die Kommission glaubt, dass die Zeit reif dafür ist, ein neues 
Kapitel in der Einstellung gegenüber dem Phänomen der Einwanderung zu 
eröffnen".
Die Initiative zu dem im Eurospeak "Kommunikation" genannten Vorstoß geht 
von António Vitorino aus, dem Kommissar für Justiz und Inneres. Die 
"Kommunikation" verweist auf die Tragödie von Dover, auf die 
darauffolgenden Statements von Politikern und die Mediendebatte, die damit 
ausgelöst wurde. "Es sollte festgehalten werden, dass die Kommission 
glaubt, dass Null-Einwanderung ganz einfach unrealistisch ist", heißt es. 
Europa müsse es vermeiden, die in der Vergangenheit gemachten Fehler der 
Null-Einwanderungspolitik zu vermeiden. Restriktive Gesetze hätten nichts 
dazu beigetragen, die klandestine Einwanderung zu beschränken. Die 
Kommission stellt auch fest, dass Einwanderung und Asyl zwar rechtlich sehr 
verschiedene Angelegenheiten sind, erkennt aber an, dass die Phänomene eng 
verbunden und vor allem in der öffentlichen Meinung beinahe eins geworden 
seien.

Zugleich ist es klar, dass die Kommission nicht plötzlich aus reiner 
Menschenfreundlichkeit auf die Idee kommt, dass Einwanderung eine gute 
Sache ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Arbeitnehmer im 
EU-Raum bis zum Jahr 2025 um 2 Millionen sinken wird, während zugleich die 
Zahl der Pensionisten von 15 Prozent auf 22 Prozent steigen werde. Eine 
gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik soll das Phänomen des 
Asyl-Shopping innerhalb der EU vermeiden helfen, sowie zu einer besseren 
Bekämpfung der organisierten Kriminalität beitragen und den Schutz der 
Rechte und Menschenwürde sowohl von Asylsuchenden als auch sogenannten 
"Wirtschaftsflüchtlingen" gewährleisten.

Die Mitgliedsstaaten sind nun aufgefordert, eine Einschätzung der Anzahl 
von Menschen zu geben, die sie als Einwanderer aufnehmen möchten und auch, 
welche Fähigkeiten bei diesen besonders gefragt sind. Die Notwendigkeit der 
Quantifizierung der Einwanderungwird betont und zugleich die enge 
Verschränkung mit Fragen der Beschäftigungs und Sozialpolitik, aber auch 
der lokal unterschiedlichen Empfänglichkeit der Bevölkerung gegenüber 
Einwanderern. Mit der Zeit sollten die Einwanderer abhängig von 
Einwanderungsdauer und anderen Integrationsfaktoren volle staatsbürgerliche 
Rechte erhalten. Das sei jedoch an eine Art Vertrag geknüpft. Die 
Mitgliedsstaaten müssten bereit sein, Unterschiedlichkeit anzuerkennen, die 
auch eine kulturelle Bereicherung darstelle. Die Immigranten müssten im 
Gegenzug die gemeinsamen Werte der europäischen Gesellschaft akzeptieren, 
wie zum Beispiel Respekt für Menschenrechte, Demokratie und 
Gleichberechtigung von Frauen.
Es wird daran erinnert, dass eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik 
schon im Vertrag von Amsterdam festgeschrieben worden war, mit dem Ziel, 
fünf Jahre später ein Ergebnis zu haben. Beim Ratstreffen von Tampere wurde 
der Kommission ein Mandat erteilt, konkrete Schritte zu ergreifen. Bis zum 
Ratstreffen in Brüssel im Dezember 2001 soll die Debatte abgeschlossen 
sein. Die Bedeutung dieses Gesinnungswandels, der mit der Bekanntgabe heute 
manifest geworden ist, ist nicht zu unterschätzen. Im Vergleich dazu war 
die deutsche Greencard-Initiative nur ein kleiner Vorbote dessen, dass 
Europa nun sozusagen offiziell zum Einwanderungsgebiet erklärt wurde.

Quelle
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/4312/1.html


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