substrat (by way of Krystian Woznicki <krystian@snafu.de>) on 29 May 2001 15:15:56 -0000


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substrat.01 / oberfläche.struktur

Die Ausstellungsreihe substrat in Berlin zeigt aktuelle Positionen 
zeitgenössischer Kunst.

substrat.01 / oberfläche.struktur wird in der Galerie Neurotitan in der 
Rosenthalerstr. 39 in Berlin Mitte vom 1.Juni 2001 bis zum 22. Juni 2001 zu 
sehen sein. oberfläche.struktur stellt die fünf künstlerischen Positionen 
von Florian Bach, Installation; Nicole Hassler, Malerei; Franziska Furter, 
Zeichnung; Valentin Hitz, Film/ Installation und Jean-Thomas Vanotti, 
Malerei einander gegenüber. Alle Künstler sind Schweizer und im Rahmen 
eines Atelieraufenthaltes für 3 bis 12 Monate in Berlin und zeigen 
Arbeiten, die hier entstanden (oder noch im entstehen) sind.

Florian Bach entwickelt durch seine Arbeit zwei verschiedene Formen der 
Intervention . Die erste besteht darin, eine Installationsarbeit zu 
situieren, die grundsätzlich kontextgebunden ist und als Lektüreanweisung 
fungiert. Die in diesem Rahmen produzierten Arbeiten sind durchlässig. Sie 
überleben selten den Ort und die Zeit, für die sie konzipiert wurden. Die 
zweite Form der Intervention lenkt die Aufmerksamkeit auf Einrichtungen und 
Gegenstände, die aus dem Kontext gerissen wurden. Seine Objekte sind oft 
mit Griffen oder Henkeln versehen, wodurch Bach einen Mangel thematisiert. 
Es handelt sich in den meisten Fällen um einen Widerstand der Objekte zu 
ihrem Kontext, ihnen soll die Möglichkeit konstanter Bewegung und der 
Erforschung ihrer eigenen Geschichte geben werden. Ent-ortet fragen Bachs 
Installationen nach ihrer eigentlichen Identität, die sich manchmal 
auflöst. Diese Auflösung ist  konzeptuelle Absicht: Der Gedanke an eine 
Zukunft der Installation führt, wird sie bewegt, oft zu ihrem totaler 
Verlust. Diese zwei Formen der Intervention resultieren aus einer Reflexion 
über Territorium. Das Spektrum des Nachdenkens über den Begriff Territorium 
schliesst Grenzen, die physischen und geistigen Limitationen, Identität, 
Exil, Ausgrenzung, Unsicherheit und das kollektive sowie das individuelle 
Gedächtnis mit ein.
Der Traum ist aus, eine Installation aus Anschlagtafeln und recyceltem 
Karton, bildet einen in sich geschlossenen, fragilen Raum. Die Installation 
thematisiert die modulare Umwelt, sie referiert auf die Unbestimmtheit und 
macht aufmerksam auf den Verlust des Ideals und auf die Nivellierung 
sozialer und politischer Stellungnahmen.

Am Anfang ihres Berlin Aufenthaltes und weit darüber hinaus stand Nicole 
Hassler in einer regen e-mail Kommunikation; in nur zwei Monaten hat sie 
mehr als 130 mails erhalten. Ihre Arbeit e-Male for Her thematisiert die 
Geschichte dieser  e-mail Beziehung. Sie wurde zu einer Arbeit inspiriert, 
die ihr Thema der kosmetischen Farben weiterführt. Hassler arbeitet dabei 
mit Öl und Make-up Farben auf grossformatiger Leinwand. Begleitend wird 
eine Publikation mit den mails, die sie erhalten hat, vorbereitet. e-Male 
for Her  ist eine Weiterführung ihrer Arbeit Fonds de teint, in welcher sie 
das Make up, eine addierende, korrigierende Grundlage für die Haut, sowohl 
auf Leinwand aufgetragen wie auch auf ihr Gesicht appliziert und dann 
fotografiert und dies einander gegenübergestellt hat.
Das Gesicht stellte für Hassler nur eine Etappe dar, angelegt und in der 
Arbeit e-Male for Her verwirklicht, war die Ausdehnung der Kosmetik auf den 
Körper des Menschen.
Hassler stellt ein Tryptichon aus, ein Bild zeigt eine Make up-Farbe für 
seine Haut, ein zweites eine Make up-Farbe für ihre Haut und ein drittes 
die Verbindung von beiden.
Mittels der Künstlichkeit des Make up‘s thematisiert Hassler eine selten 
zur Sprache gebrachte Dialektik: jene der uneigentlichen Tiefe der Leinwand 
und deren Oberflächlichkeit. Die minimalistische Sicherheit einer Eigen- 
Wahrnehmung des Materials ist aufgebrochen, da die Schminke das ist, was 
nicht ist. Das monochrome des Make ups an keine Flüchtigkeit zu binden (wie 
auf ein Gesicht) sondern auf Leinwand aufzutragen, verleiht dieser 
spezifischen Art von Künstlichkeit Dauerhaftigkeit.

Jean-Thomas Vanotti’s Arbeit Electro Gothic transportiert die Ästhetik von 
Videofilmen und Bildern aus dem Netz auf die Leinwand. Am Computer 
überarbeitete Bilder und Videostills werden stark vergrössert auf Leinwand 
übertragen. Die dabei benutzte Technik ist jene der Ölmalerei, die er auf 
große Formate aufträgt. Vanotti verfolgt dabei ein Vorgehen, dass sich an 
die englischen Schule eines Richard Patterson oder eines Glenn Brown 
anlehnt. Seine Bilder sind nahe des Photorealismus einzuordnen, ihnen eigen 
ist jedoch die fehlende Tiefe und die Unschärfe der Videobilder. Er 
reproduziert in seiner Ölmalerei die Lichteffekte eines Computer- oder 
Fernsehbildschirmes. Vanotti versucht die Rolle zu hinterfragen, welche die 
Malerei als Hüterin unseres Gedächtnisses innehat und erweitert die 
klassische Ölmalerei um die Ästethik der neuen medialen Möglichkeiten. Er 
weist uns mit seinen Arbeiten auf die strukturellen Unterschiede der 
verschiedenen Medien hin.

Franziska Furter’s frühe Arbeiten zeigen scherenschnittartige Wald- oder 
Berglandschaften, die sie virtuos in Graphit umgesetzt hat. In ihren 
neueren Arbeiten hat sie die Begrenzungen der Blätter verlassen, und 
beschäftigt sich mit den Raumstrukturen selbst. Indem sie Wände, Decken 
oder den Boden bespielt, lenkt sie den Blick auf die Materialität des 
Raumes. Mittels Bleistiftzeichnungen, Folien oder transparenten 
Klebematerialien fordert sie den Blick auf die Strukturen heraus, die kaum 
sichtbaren Materialien spielen mit der Wahrnehmung des Betrachters. Ihre 
Werke sind immer auch ein Spiel mit der Illusion, vermeintlich bekannte 
Muster entpuppen sich als spielerisch umgesetztes Aufbrechen der 
Sehgewohnheiten. Die Arbeit, die sie in der Ausstellung substrat.01 / 
oberfläche.struktur zeigen wird, ist bislang noch ohne Titel.

  In gewissen ländlichen Gegenden der Schweiz nennt man das Bildrauschen 
eines Fernsehers (oder unbespielten Videotapes) "Ameisenrennen" 
(Aargauer-Dialekt: ‚Ameisirönnä‘). Valentin Hitz beschäftigt sich in seiner 
Insatallation Ameisirönnä  ­  Ant Race ­ Ameisenrennen mit der Struktur des 
Fernehbildes. In seiner Monitor-Installation geht er dabei auf die 
angeblichen, in Fernsehgerät-Bedienungsanleitungen auf Listen angeführten 
Fehler ein. Hitz erweitert die sogenannte Fehlerhaftigkeit zum (visuellen) 
Ereignis jenseits technischer Aussetzer. So werden ‚Interferenzen‘, 
‚Übersprechungen‘, ‚Geisterbilder‘, oder eben das ‚Bildrauschen‘ vom 
lästigen Übel zum eigentlichen ‚Star‘ der Mattscheibe. Die Installation 
Ameisirönnä  - Ant Race ­ Ameisenrennen, ein Triptychon, besteht aus drei 
identischen Fernseh-Apparaten.  Auf den beiden äusseren Monitoren ist 
kontinuierliches Bildrauschen zu sehen. Im mittleren TV-Gehäuse tummeln 
sich hinter der Mattscheibe so viele lebende, ‚echte‘ Ameisen, wie es 
Bild-punkte benötigt, um ein TV-Full-Frame aufzubauen: 414'720 (720 x 576). 
Eine getönten Plexiglasscheibe wird aus dem Inneren des Gehäuses von drei 
Neonröhren gleichmässig beleuchtet und grenzt den Ameisen-Innenraum nach 
hinten ab. Ameisirönnä  - Ant Race ­ Ameisenrennen ist Teil des Projektes 
Fehlerfunktionen.

Die Ausstellung wird unterstützt von den Kantonen, die Ateliers in Berlin 
haben, von der Zuger Kulturstiftung Landis & Gyr sowie voraussichtlich von 
der Pro Helvetia und der Schweizerischen Botschaft in Berlin.





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