sebast21 on 22 Jun 2001 09:29:00 -0000 |
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Artikel http://www.jungewelt.de/2001/06-22/013.shtml Startseite junge Welt Interview ________________________________________________________ 22.06.2001 Gibt es unzensierten Informationsaustausch? junge Welt sprach mit Jan Möller _________________________________________________________________ * Bei den Protesten in Göteborg spielte das internationale Nachrichtennetzwerk Indymedia eine wichtige Rolle. Jan Möller arbeitet bei diesem Internetportal in Berlin mit F: Was ist das Konzept von Indymedia? Indymedia ist eine Plattform für alle Leute, die sonst nicht die Möglichkeiten haben, sich in den bisher existierenden Medien zu artikulieren. Sie richtet sich an alle Menschen, die die Möglichkeit haben, im Internet an Informationen zu gelangen und selber Informationen zu produzieren. Es gibt keine Redaktion, die die Nachrichten verzerrt darstellen kann. Informationen und Nachrichten sollen keine Ware, sondern allen frei zugänglich sein. Darin besteht der emanzipatorische Moment des Projekts. F: Wie ist Indymedia entstanden? Die Idee entstand Ende der 90er Jahre in Melbourne. Aktivisten von »critical mass«, einer weltweiten Bewegung politisch aktiver Fahrradfahrer, wollten ihre Aktionsberichte sofort ins Netz stellen und entwickelten dazu eine spezielle Software. In den USA fand diese Idee schnell Nachahmer. Während der Proteste gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Seattle im Herbst 1999 wurde Indymedia erstmals international bekannt. Mittlerweile gibt es weltweit zirka 60 Indymedia-Center, davon rund die Hälfte in den USA und 13 in Europa. Seit März 2001 ist das deutsche Indymedia im Internet. F: Viele gehen statt zur Demo lieber ins Internet, lautet einer der Kritikpunkte an solchen Konzepten. Fördert Indymedia nicht eher die Konsumhaltung in der Linken? Sicher gibt es diese kritisierte Konsumhaltung. Manche sitzen halt jetzt statt vor dem Fernsehgerät vor dem Computer, um sich zu informieren. Es gibt aber auch genügend Beispiele, wo über Indymedia Leute mobilisiert und aktiviert worden sind. Das war bei den Castor- Transporten im Frühjahr schon so, und das hat sich auch jetzt bei den Protesten gegen den EU-Gipfel in Schweden wieder bestätigt. Schließlich erreichen wir über das Internet ganz andere Kreise als kleine linke Szenezeitungen. Wie hoch sind die Zugriffszahlen auf die Seite? Die Anzahl der täglichen Zugriffe schwankt durchschnittlich zwischen siebentausend und zwanzigtausend. Wenn Aktionen wie im Wendland oder in Göteborg anstehen, steigt die Anzahl der Zugriffe natürlich sprunghaft. F: Gab es schon Reaktionen von den traditionellen Medien? Indirekt. So kam es des öfteren vor, daß wir die Meldungen von Indymedia in bürgerlichen Medien wiedergefunden haben. So hat der Guardian in Großbritannien die Indymedia-Meldungen über die 1.-Mai- Aktivitäten dieses Jahres in London im Wortlaut übernommen. Die haben sich nachher sogar per Mail bei uns bedankt. F: Wird Indymedia nicht dadurch zum unentgeltlichen Zuarbeiter für bürgerliche Medien? Da wir das Prinzip der freien Informationen verfolgen, können wir nicht verhindern, daß sich andere Medien bei uns bedienen. In den Indymedia-Zentren der USA wird es allerdings als legitim angesehen, daß Autoren auf ihre Copyrightrechte bestehen. Bei Indymedia-Deutschland gibt es dazu noch keine abschließende Meinung. F: Wie gehen Sie als Verfechter der freien Informationen mit faschistischen, antisemitischen oder sexistischen Meldungen um? Der Umgang damit ist auch ein Punkt, der unter den verschiedenen Indymedia-Zentren noch diskutiert wird. Zunächst bestand der Anspruch, alles ohne Einschränkungen ins Netz zu stellen. Doch davon ist man in der internationalen Indymedia-Gemeinde mittlerweile abgekommen. Dazu haben die Internet-Reaktionen auf den Nah-Ost-Konflikt beigetragen, wo regelrechte Haßmails verschickt worden waren. Jetzt ist jedem Indymedia- Zentrum der Umgang freigestellt. Bei uns werden Meldungen mit rechten Inhalten nicht ins Netz gestellt, können aber auf Wunsch Interessierten zugemailt werden. Bisher gab es bei uns allerdings erst wenige Fälle, wo wir darauf zurückgegriffen haben. F: Welche Perspektive hat Indymedia? Durch den enormen Boom in den letzten Monaten ist das Projekt an technische Grenzen gestoßen. Zur Zeit ist man auf der Suche nach neuen Servern, wofür auch viel Geld gebraucht wird. Perspektivisch will Indymedia über das Internet hinausgehen. Eine Indymedia-Printausgabe ist ebenso im Gespräch wie Indymedia-Radios und - Satellitenfernsehen. Interview: Peter Nowak * Indymedia ist im Internet unter http://de.indymedia.org zu finden Artikel per Mail versenden © junge Welt ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste fuer Medien- und Netzkultur Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost Info: http://www.mikro.org/rohrpost Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de