Krystian Woznicki on Thu, 10 Jan 2002 16:59:25 +0100 (CET)


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[rohrpost] Fwd: Die radikale Rechte und der "Antiimperialismus"


Phrasen und Traditionen
Die radikale Rechte und der "Antiimperialismus"

Rechtsextreme suhlen sich in populitischem Antiamerikanismus

Von Peter Bern (redaktion@der-rechte-rand.de)


Die extreme Rechte um die NPD gefällt sich zunehmend in der Rolle des
Revolutionärs und antiimperialistischen Volksbefreiers. Auch in den
Reaktionen auf die Anschlagserie in den USA behaupten sich die
Antiwestler. Mit antiamerikanischer und antikapitalistischer Rhetorik
inszenieren sie sich als "letzte Opposition". Doch ihre der linken
Terminologie entlehnten Begriffe spuken wie körperlose Schatten durch die
Texte und gehen in ihrer Phrasenhaftigkeit über deren Inhalte weit
hinaus.

Dennoch ist die Verwendung revolutionärer Parolen nicht erstaunlich. Sie
sind durch die gesellschaftliche Marginalität der radikalen Linken vakant
geworden. Doch auch in der Vergangenheit waren sie schon Teil rechter
Ideologie, mit ihnen ließ sich das Bedürfnis nach Sozialkritik
befriedigen. Denn keineswegs macht rechtes Unbehagen in der modernen
Kultur immer vor deren kapitalistischer Verfasstheit halt.

Eine wesentliche Trennlinie des deutschen Konservatismus von Aufklärung
und Liberalismus, die von der extremen Rechten übernommen wurde, markiert
das Verhältnis der Deutschen zum "Westen". Eine Westbindung der deutschen
Nation war stets umstritten oder wurde abgelehnt. Diese Ablehnung
berührte zentrale gesellschaftliche Fragen, wie die der Staatsform, der
Ökonomie und des Wertesystems. Das Reich sollte eine dem "deutschen
Volksgeist" entsprechende eigene Ordnung jenseits von Demokratie und
Kapitalismus oder gar sozialistischem Internationalismus erhalten. Der
Kalte Krieg und das antikommunistische Paradigma ließen diese Trennlinie
verschwommener erscheinen. Kein Wunder, dass sie nach Ende der
Blockkonfrontation, zumal in Zeiten westlicher Krise, wieder an Konturen
gewinnt.

Mit dieser Ablehnung des westlichen Bezugssystems kehrt auf Seiten der
extremen Rechten eine Rhetorik wieder, die in ihrem "revolutionär",
"antikapitalistisch" und "antiimperialistisch" scheinenden Duktus
verwirrt. Von einer ideologischen Annäherung der Rechten an die Linke
kann jedoch keine Rede sein, die aggressive Rhetorik vor allem des
NPD-Umfeldes weist viel mehr auf eine Renationalsozialisierung hin. Dafür
sprechen in der jüngsten Zeit eine ganze Reihe von Äußerungen aus diesem
Milieu.

Bereits der Aufruf des "Aktionsbüro Norddeutschland" zur
"Antikriegsdemonstration" am 1. September in Leipzig reproduzierte reine
NS-Ideologie: Der Angriff auf Polen sei Selbstverteidigung gewesen, wobei
man sich mit Verweisen auf den "Sender Gleiwitz" und den "Bromberger
Blutsonntag" im historischen Repertoire GoebbelsŒscher Propaganda
bediente. Der "Weltkrieg", so die Argumentation, habe erst mit dem
Kriegseintritt Frankreichs und Großbritanniens begonnen und sei zur
Rettung des "internationalen Kapitals" vor der nationalsozialistischen
Revolution geführt worden. Die Kriegsschuld liege also bei den
Westmächten.

Auch tagespolitische Kommentare des Büros sind an NS-Apologie orientiert.
Eine dort verfasste Kritik am Den Haager Prozess gegen den ehemaligen
jugoslawischen Präsidenten Milosevic ist ein durchschaubares taktisches
Manöver, dessen eigentliches Ziel die Delegitimation der Nürnberger
Kriegsverbrecherprozesse ist: "Nicht zum ersten Mal in der Geschichte ist
es so, dass gerade die größten Verbrecher sich das Recht herausnehmen,
über andere zu urteilen. Woher sie dieses Recht beziehen, bleibt uns
verborgen. Vermutlich aus dem politischen Einfluss jener Kräfte, die
hinter ihnen stehen. [...] Hier werden dunkle Erinnerungen an 1946 wach,
wo die größten Kriegsverbrecher aller Zeiten (Churchill, Stalin,
Roosevelt) ein ’Internationales MilitärtribunalŒ in Nürnberg errichteten,
um nach ihren eigens dafür erfundenen Gesetzen eine freie deutsche
Reichsregierung abzuurteilen."

Die "freie deutsche Reichsregierung" erscheint als Opfer einerseits der
westlich-kapitalistischen Welt, andererseits der Sowjetunion, deren
Legitimation von hinter ihnen verborgenen Kräfte(n), stamme. Beachtet
man, dass die NS-Ideologie in westlichem Kapitalismus und
Sowjetkommunismus Produkte des "Weltjudentums" ("jüdische Plutokratie"
und "jüdischer Bolschewismus") sieht, sind diese "Kräfte" deutlich
benannt. Der Code der Verschwörungstheorie ist antisemitisch.

In diesem Kontext sind auch die Reaktionen des Kameradschaftsspektrums
auf die Anschlagserie in den USA zu verstehen. Unter dem Titel "Bushfeuer
in Manhatten" publizierte das "Aktionsbüro" mehrere Kommentare, in denen
die Angriffe als Schläge gegen "die Schaltzentralen der Macht" und die
"Feinde der Völker" gedeutet werden. Der Kampf gelte einer
US-amerikanischen "One-World-Strategie", mit der das "internationale
Kapital" seine Interessen durchsetze.

Die Aufzählung der Opfer des "US-Imperialismus" führt über Vietnam und
den Irak schließlich zum Luftangriff 1945 auf Dresden: "Wo bleiben die
Schweigeminuten und Gedenktage für die Hunderttausenden Toten unseres
Volkes, die ’Uncle Sam auf dem Gewissen hat?".

Doch dienen diese antiimperialistischen Phrasen nicht nur der
Geschichtsklitterung, sie entspringen durchaus einem geostrategischem
Konzept, das in der verelendeten Peripherie der kapitalistischen Welt
Bündnispartner für den Kampf gegen den Westen und dessen Hegemonialmacht
USA sieht. Gelänge dies, so sieht dieses Modell im Umkehrschluss eine
Renaissance des Deutschen Reiches vor.

Bedenkt man die kulturellen Konsequenzen dieses Konzeptes, ist es nicht
verwunderlich, dieses auch beim intellektuellen Flügel des NPD-Umfeldes
zu finden. In der ZDF-Sendung "Aspekte" ließ man zehn Tage nach dem
Anschlag mit Reinhold Oberlercher und Horst Mahler zwei Köpfe
neonazistischer Theoriebildung zu Wort kommen. Beide nutzen die
Gelegenheit, ihre Positionen zur US-amerikanischen Welt zu verbreiten:
Oberlercher sah in den Anschlägen eine "Manifestation mohammedanischer
Hochkultur" und Mahler prophezeite die Überlegenheit deutscher Kultur im
sich abzeichnenden Kampf mit dem Westen. Letzterer veröffentlichte auf
seiner Homepage auch ein Manifestchen mit dem Titel "Independence-Day
live".

Dort verkündete er das "Ende Amerikanischen Jahrhunderts, das Ende des
globalen Kapitalismus und damit das Ende des weltlichen Jahwe-Kultes, des
Mammonismus." Mahler, der seine Auseinandersetzung mit der Moderne mit
antisemitisch aufgeladenem Animaterialismus und Versatzstücken von Hegels
Geschichtsphilosophie bestreitet, sieht die Völker der Welt einen
"Befreiungskrieg" gegen die USA führen, in dem auch die deutsche
Geschichte ihren Platz hat: "Es ist ein Krieg ­ gegenwärtig an
unsichtbaren Fronten weltweit. Dieser Krieg geht seit 1917, dem Zeitpunkt
der Entsendung eines amerikanischen Expeditionskorps zur Rettung
Großbritanniens, von den Finanz-Eliten der USA aus. Das Deutsche Reich
ist ­ ununterbrochen ­ seit 1914 von dieser Kriegsführung der
imperialistischen Mächte betroffen. Deren erklärtes Ziel war und ist es,
die Vormacht der USA als Garant des räuberischen Freihandels zu sichern,
indem das Deutsche Reich auf ewig zerstört und das große und kraftvolle
Volk der Deutsc!
hen in der Mitte Europas zuerst dezimiert und anschließend durch
Umvolkung als Kulturnation und Machtfaktor der Weltgeschichte ausgelöscht
wird. Die militärische Niederlage des deutschen Reiches 1945 hat die
Völker Europas und die übrige Welt schutzlos der US-amerikanischen
Militärmacht und den Ausplünderungszügen der US-Ostküste ausgeliefert."

Vergleicht man diese Passage mit einem nationalsozialistischen Klassiker,
fällt auf, über welch geschlossen völkisches Geschichtsbild NPD-Anwalt
Mahler mittlerweile verfügt. Gespensterten durch seine Weltanschauung
noch lange verirrte marxistische Fragmente seiner Vergangenheit, liest
sich dieser Text wie eine Paraphrase auf "Mein Kampf". Dort schrieb
Hitler rückblickend auf die anglo-amerikanische Politik im Ersten
Weltkrieg: "Die Vernichtung Deutschlands war nicht englisches, sondern in
erster Linie jüdisches Interesse. [...] Juden sind die Regenten der
Börsenkräfte der amerikanischen Union. [...] Schon glauben die größten
Köpfe der Judenheit die Erfüllung ihres testamentarischen Wahlspruches
des großen Völkerfraßes herannahen zu sehen. Innerhalb dieser großen
Herde entnationalisierter Kolonialgebiete könnte ein einziger
unabhängiger Staat das ganze Werk in letzter Stunde noch zu Fall bringen.
[...] Bleibt auch nur ein Staat in seiner nationalen Kraft und Größe
erhalten, w!
ird und muss das jüdische Weltsatrapenreich, wie jede Tyrannei auf dieser
Welt, der Kraft des nationalen Gedankens erliegen."

Zusätzlich zum Kampf gegen Amerika bietet heute der Nahostkonflikt die
willkommene Projektionsfläche, da gegenwärtig der Fall der USA den
Israels mit sich brächte. Durch ihre Feindschaft mit dem jüdischen Staat
wird in der arabischen Welt ein Verbündeter im Kampf gegen das Judentum
gesehen. Ähnliche Solidaritätsadressen des Deutschen Reichs sind bereits
aus den Tagen der britischen Mandatszeit in Palästina bekannt.

Es wird sich zeigen, ob Renationalsozialisierung im Umfeld der NPD
Auswirkungen auf das angestrebte Parteienverbot hat. Die Öffentlichkeit
nahm zwar den Beifall deutscher Neonazis zu den Anschlägen in den USA
wahr, nicht aber die in ihm enthaltenen Ideologeme des orthodoxen
Nationalsozialismus.


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