Volker Grassmuck on Sun, 13 Oct 2002 19:10:04 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] Tagung: Koerper aus Zahlen, 1.11.02 |
Körper aus Zahlen Digitale Bildgebung in der Medizin und ihre Implikationen Tagung unter der Leitung von Dr. Harun Badakhshi, Humboldt-Universität zu Berlin, Charité-Medizinische Fakultät 1. November 2002, 10.00-15.30 Humboldt-Universität, Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Raum 3031 Anmeldung: harun.badakhshi@charite.de Der Fokus der Tagung richtet sich auf die technische Herstellung von Körperbildern in der Medizin und deren allgemeine epistemologische und kulturelle Wirkungen. Als medizinische Visualisierung soll in diesem Zusammenhang ein Bündel von Strategien und Technologien befragt werden, in dessen Rahmen seit genau drei Dekaden geregelte Verfahren zur Erzeugung von visueller Erfahrung eingeführt, angewandt und verbreitet worden sind. Neben den spezifisch innerfachlichen Inskriptionen der medizinischen Visualisierung, die nachhaltig zur einer Neuordnung des Wissens geführt haben, ist heute davon auszugehen, dass sie auch auf der Ebene der Kultur und ihrer inhärenten Techniken ästhetische und semantische Spuren hinterlassen hat, die es zu detektieren gilt. In diesem Sinne werden von dieser Zusammenkunft Überlegungen zur „visuellen Kultur“ der Wissenschaften und der Gesellschaft erwartet. Es geht somit darum, Basis und Hintergründe einer wissenschaftlichen Praxis sowie die Vielfalt ihrer routinemäßigen Anwendungen so darzulegen, dass ihre epistemischen und kulturellen Funktionen zugänglich werden und ihre Wechselwirkungen mit anderen Wissensfeldern als Integration oder Differenzierung wahrgenommen werden können. Schwerpunkte Digitaltechnologien zur Bilderzeugung und -verarbeitung prägen und bestimmen heute die medizinische Praxis. Sie entfalten ihre Wirkungen in verschiedenen Bereichen der klinischen Routine, wobei viele Maßnahmen und Interventionen durch sie unterstützt oder erst ermöglicht werden; sie verändern zunehmend die Grundlagen des Verständnisses und des Zuganges zum Körper. Die medizinische Visualisierung beeinflußt damit sowohl die Ordnung des Wissens in der Medizin hinsichtlich epistemischer und kognitiver Formationen als auch die Formen ihrer medialen Darstellung. Die neuen Räume des Wissens entstanden durch vielfältige und vielseitige Beziehungen zu anderen wissenschaftlichen Feldern, welche nicht nur in Begriffen einer statischen Wissenschaftsgeschichte zu fassen sind, sondern eher durch ihr dynamisches Zusammenwirken charakterisiert werden sollen. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Kontext die Mathematik, da sie zum einen - als Software - mit ihren Theorien die symbolische Wiederherstellung des Körpers überhaupt denkbar macht (Fourier, Radon, Bracewell, Cormack) und zum anderen - als Hardware - in der Form universalen Turingmaschinen die Quantifizierung des Körpers und das Berechnen seiner Bildern ermöglicht. Das "imaging" des Körpers in den Maschinenräumen der Klinik spiegelt die Dominanz der Ziffern in der Kultur. Ein weiterer wichtiger Aspekt der medizinischen Visualisierung ist ihre mediale Funktion und Bedingtheit. Vor allem zu erwähnen ist, dass der Computer als Medium die Grundvoraussetzung der Digitalscanner Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) ist; nur durch ihn wurden solche Maschinen denkbar und konstruierbar. Heute wird, wie wir es in den Vorträgen hören werden, in den Bild-Laboratorien ein kaum noch überschaubares Spektrum an „graphic operations“ implementiert, das in keiner Weise mit den vorgängigen analogen Geräten der Diagnostik verglichen werden kann. Die mediale Vermittlung erzeugt funktionelle Einheiten im Wissen um den Körper, die Art und Weise des Erwerbes, der Speicherung und der Verbreitung dieses Wissens grundlegend verändert haben. Nach Michael Wetzel läßt sich die mediale Konstruktion der Realität nicht rein auf das Funktionieren apparativer Übertragung beschränken; sie stellt sich hinsichtlich ihrer Überdeterminiertheit und vor allem ihrer Veränderbarkeit, ihrer historischen Konjunkturen und Paradigmenwechsel als ein Dispositiv dar. Damit wird nicht nur der transzendentalen Orientierung von Repräsentation als Bereitstellung, als multifaktoriellem Komplex eines systematischen Engineerings Rechnung getragen, sondern auch der virtuelle Charakter der Spurensicherung wird deutlicher. Die Implikationen der medizinischen Bilderzeugung und -verarbeitung für die Bilddiskurse sind ein ebenfalls sehr attraktives Thema in den aktuellen Diskussionen. Allerdings erweist sich das Feld als schwer zugänglich, und dies nicht nur wegen fehlender Vorarbeiten und methodischer Probleme, sondern auch wegen der unvermeidlichen Berührung mit einer sich verändernden Bildwissenschaft, die aber diesen wesentlichen Raum der visuellen Erfahrung nur sehr zurückhaltend berührt. Die Tagung soll hier einen Beitrag zur Systematisierung der Diskussion und zur Methodenbildung leisten. Teilnehmer Dr. Christina Lammer Universität Wien Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung Dr. Frank Wübbeling Universität Münster Institut für Numerische und instrumentelle Mathematik Dr. Oliver Grau Humboldt-Universität Berlin Kunsthistorisches Seminar PD Dr. Arne-Jörn Lemke Humboldt-Universität Medizinische Fakultät - Universitätsklinikum Charité Abteilung Röntgendiagnostik PD Dr. Wolfgang Ernst Gastprofessor an der Fakultät für Medien, Bauhaus-Universität Weimar PD Dr. Wolfgang Hagner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin MA Stefan Heidenreich Humboldt Universität Institut für Kulturwissenschaft DFG-Projekt "Geschichte und Systematik der digitalen Medien" Dr. Mathias Schroeter Max-Plank-Institut für Neuropsychologie, Leipzig Dr. Martin Scholz Humboldt-Universität zu Berlin Medizinische Fakultät - Universitätsklinikum Charité Physikabteilung- Klinik für Strahlentherapie Dr. Harun Badakhshi Humboldt-Universität zu Berlin Medizinische Fakultät - Universitätsklinikum Charité Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie- Tumorzentrum ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/