Krystian Woznicki on Sun, 2 Feb 2003 01:50:15 +0100 (CET)


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[rohrpost] Fwd: Diederichsen, Koeln, 13.02.03


V E R E i N  M i T  Z U K U N F T

Die gute Veranstaltung n° 20


Diedrich Diederichsen (Berlin)

"Paranoia und Geschmacksurteil"


Vortrag


Donnerstag, 13. Februar 2003
Literaturhaus, Im Mediapark 6a [1. Obergeschoss], Köln

Beginn: 20 Uhr 30

Eintritt: 3,50 Euro

Zum Auftakt einer Reihe von VmZ-Veranstaltungen rund um den
Themenschwerpunkt "Bildungspolitik und Wissensproduktion" kommt
Diedrich Diederichsen, um über Popmusik als Ordnung und Inszenierung
des Wissens zu sprechen. Der Berliner Kulturtheoretiker wird zeigen,
wie der Umgang mit Popmusik die Möglichkeit schafft, sich Kenntnisse
über die Welt anzueignen, die nirgendwo sonst gelehrt werden.

Zwei Entwicklungen entgehen keiner Zeitdiagnostik: Nie waren sich die
Leute  im Westen und Norden der Welt sicherer über ihren Geschmack,
nie wussten so viele so genau, was sie schön und vor allem individuell
passend finden.

Gleichzeitig wussten sie nie so wenig, waren noch nie so unsicher über
das große Ganze. Noch nie waren so viele so unentschieden und daher
vorsichtshalber desinteressiert an globalen und zusammenfassenden
Ideen.

Gehörte es ursprünglich zum Selbstermächtigungsdiskurs des Bürgertums,
dass der Einzelne potenziell über alles Bescheid wissen kann, vor
allem aber über den Zusammenhang der Einzelteile, egal ob dies nun
politisch oder religiös gefasst war, so scheint es heute die Regel zu
sein, dass der Verlust solcher Sicherheit mit einem Aufkommen
paranoider und Verschwörungstheorien einerseits, einer großen
Sicherheit über die Ausstattung der eigenen Person andererseits
verbunden ist. Das Kennzeichen von paranoiden Theorien ist, dass sie
globale Makroentwicklungen um einen individuellen Kern herum aufbauen:
entweder um den Urheber der Theorie, der sich individuell verfolgt
fühlt, oder um einen geheimnisvollen Demiurgen, dem (oder dessen
Organisation, Gruppe) alles zuzurechnen ist. Diese hier skizzierte
Diagnose ist ihrerseits nicht neu. Womöglich ist ihrerseits
ideologisch und folgt einem altbekannten kulturpessimistischen Schema
(Niedergangserzählungen). Und woher haben diejenigen, die in dieser
Weise die Abwesenheit von "Weltbildern" beklagen,
eigentlich ihr Wissen über das Globale?

Diederichsen wird versuchen, den Zusammenhang zwischen dem Wissen über
das individuell Passende und Angemessene mit dem paranoiden Ahnen
großer Zusammenhänge in Verbindung zu bringen mit den Vorschlägen für
Zusammenhangsbildung, die die Pop-Musik seit 50 Jahren macht. Damit
sind weniger ihre Inhalte als die zusammenhangsbildende Praxis
gemeint, die mit Pop-Musik-Hören auf der Seite der Rezipienten
verbunden und auch in gewisser Weise vorgesehen ist - wie etwa das
innere Präsentsein der Melodien und das äußere Umgebensein mit ihr
verbundener Vorstellungsbilder wie Starfotos, Modeutensilien etc.


Diedrich Diederichsen lehrt Kommunikationsdesign an der Merz Akademie
Stuttgart. Er war Redakteur der Hamburger Musikzeitschrift "Sounds",
bevor er Mitte der achtziger Jahre zu "Spex" kam, wo er Redakteur und
Mitherausgeber wurde. Sein Buch Sexbeat (1985) ist jüngst - ergänzt um
ein ausführliches Vorwort - wiederaufgelegt worden (KiWi, 2002). Zur
Zeit arbeitet Diederichsen an einem musiktheoretischen Grundsatzwerk. 

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