sab on Mon, 6 Oct 2003 00:01:30 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] schopenhauer's flame war how-to |
lieber pit, wie schön und poesiv (wenn man dieses wort gerade eben mal erfinden darf) du zitierst! weiter so! das gefällt! mir! beste gruesse, --On Sonntag, 5. Oktober 2003 14:54 Uhr +0200 pit schultz <pit@bootlab.org> wrote: > http://www.coolhaus.de/art-of-controversy/ > > Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten > wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Das Persönlichwerden > besteht darin, daß man von dem Gegenstand des Streites (weil man da > verlornes Spiel hat) abgeht auf den Streitenden und seine Person irgend > wie angreift: man könnte es nennen argumentum ad personam, zum > Unterschied vom argumentum ad hominem: dieses geht vom rein objektiven > Gegenstand ab, um sich an das zu halten, was der Gegner darüber gesagt > oder zugegeben hat. Beim Persönlichwerden aber verläßt man den Gegenstand > ganz, und richtet seinen Angriff auf die Person des Gegners: man wird > also kränkend, hämisch, beleidigend, grob. Es ist eine Appellation von > den Kräften des Geistes an die des Leibes, oder an die Tierheit. Diese > Regel ist sehr beliebt, weil jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird > daher häufig angewandt. Nun frägt sich, welche Gegenregel hiebei für den > andern Teil gilt. Denn will er dieselbe gebrauchen, so wirds eine > Prügelei oder ein Duell oder ein Injurienprozeß. > > Man würde sich sehr irren, wenn man meint, es sei hinreichend, selbst > nicht persönlich zu werden. Denn dadurch, daß man Einem ganz gelassen > zeigt, daß er Unrecht hat und also falsch urteilt und denkt, was bei > jedem dialektischen Sieg der Fall ist, erbittert man ihn mehr als durch > einen groben, beleidigenden Ausdruck. Warum? Weil wie Hobbes de Cive, > Kap. 1, sagt: Omnis animi voluptas, omnisque alacritas in eo sita est, > quod quis habeat, quibuscum conferens se, possit magnifice sentire de > seipso. ? Dem Menschen geht nichts über die Befriedigung seiner Eitelkeit > und keine Wunde schmerzt mehr als die, die dieser geschlagen wird. > (Daraus stammen Redensarten wie »die Ehre gilt mehr als das Leben« usw.) > Diese Befriedigung der Eitelkeit entsteht hauptsächlich aus der > Vergleichung Seiner mit Andern, in jeder Beziehung, aber hauptsächlich in > Beziehung auf die Geisteskräfte. Diese eben geschieht effective und sehr > stark beim Disputieren. Daher die Erbitterung des Besiegten, ohne daß ihm > Unrecht widerfahren, und daher sein Greifen zum letzten Mittel, diesem > letzten Kunstgriff: dem man nicht entgehen kann durch bloße Höflichkeit > seinerseits. Große Kaltblütigkeit kann jedoch auch hier aushelfen, wenn > man nämlich, sobald der Gegner persönlich wird, ruhig antwortet, das > gehöre nicht zur Sache, und sogleich auf diese zurücklehnt und fortfährt, > ihm hier sein Unrecht zu beweisen, ohne seiner Beleidigungen zu achten, > also gleichsam wie Themistokles zum Eurybiades sagt: pataxon men, akouson > de. Das ist aber nicht jedem gegeben. > > Die einzig sichere Gegenregel ist daher die, welche schon Aristoteles im > letzten Kapitel der Topica gibt: Nicht mit dem Ersten dem Besten zu > disputieren; sondern allein mit solchen, die man kennt, und von denen man > weiß, daß sie Verstand genug haben, nicht gar zu Absurdes vorzubringen > und dadurch beschämt werden zu müssen; und um mit Gründen zu disputieren > und nicht mit Machtsprüchen, und um auf Gründe zu hören und darauf > einzugehn; und endlich, daß sie die Wahrheit schätzen, gute Gründe gern > hören, auch aus dem Munde des Gegners, und Billigkeit genug haben, um es > ertragen zu können, Unrecht zu behalten, wenn die Wahrheit auf der andern > Seite liegt. Daraus folgt, daß unter Hundert kaum Einer ist, der wert > ist, daß man mit ihm disputiert. Die Übrigen lasse man reden, was sie > wollen, denn desipere est juris gentium, und man bedenke, was Voltaire > sagt: La paix vaut encore mieux que la vérité; und ein arabischer Spruch > ist: »Am Baume des Schweigens hängt seine Frucht der Friede.« > > Das Disputieren ist als Reibung der Köpfe allerdings oft von > gegenseitigem Nutzen, zur Berichtigung der eignen Gedanken und auch zur > Erzeugung neuer Ansichten. Allein beide Disputanten müssen an > Gelehrsamkeit und an Geist ziemlich gleichstehn. Fehlt es Einem an der > ersten, so versteht er nicht Alles, ist nicht au niveau. Fehlt es ihm am > zweiten, so wird die dadurch herbeigeführte Erbitterung ihn zu > Unredlichkeiten und Kniffen [oder] zu Grobheit verleiten. > > Zwischen der Disputation in colloquio privato sive familiari und der > disputatio sollemnis publica, pro gradu usw. ist kein wesentlicher > Unterschied. Bloß etwa, daß bei letzterer gefordert wird, daß der > Respondens allemal gegen den Opponens Recht behalten soll und deshalb > nötigenfalls der praeses ihm beispringt; ? oder auch daß man bei > letzterer mehr förmlich argumentiert, seine Argumente gern in die strenge > Schlußform kleidet. > SaB.->* ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/