geert lovink on Thu, 7 Aug 2003 04:24:38 +0200 (CEST) |
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[Nettime-nl] Joost Smiers: het eind is nabij...pleidooi voor de afschaffing vanhet copyright (Duits) |
Das Ende kommt sowieso Plädoyer für die Abschaffung des CopyrightsVon Joost Smiers Ist es nicht ein schrecklicher Gedanke, dass die meisten Bilder, die wir täglich sehen, ein Großteil der Musik, die wir hören, die meisten Wörter, die wir lesen, jemandes persönliches Eigentum sind? Dieser "Jemand" ist meist ein Teil der Kulturindustrie. Corbis, Bill Gates' Firma, besitzt zum Beispiel Millionen von Bildern. Der Augenblick ist nicht mehr fern, in dem fast alle Bilder der Welt in den Händen seiner Firma oder denen der Getty Corporation sind. Dem System, welches diesen Privatbesitz eines substanziellen und immer größer werdenden Teils unseres gemeinsamen kulturellen Erbes aus Vergangenheit und Gegenwart erlaubt, hat man den Namen Copyright gegeben. Der Name deutet an, dass für die Nutzung dieser Werke gezahlt werden und dass man für ihre Nutzung um Erlaubnis bitten sollte. In keiner Gesellschaft zuvor waren die Mittel kultureller Kommunikation jemals in so extremer Form privatisiert und kommerzialisiert wie in der heutigen westlichen Welt. Indem sie sich das Copyright an Millionen von Werken der Kunst, des Designs und des Entertainments sichert, bestimmt die Kulturindustrie, welche Werke und welche Künstler Förderung erfahren. Sie bestimmen Natur und Kontur unserer kulturellen Landschaft, während sie zugleich die öffentliche Eigentum an Wissen und Kreativität abtragen. Das ist undemokratisch und gegen sämtliche Prinzipien der Menschenrechte. Wenn man ihre faktisch monopolhafte Kontrolle nicht beendet, wird die Konsequenz das Ende der Redefreiheit und der Freiheit der Kunst sein. Zudem berechtigt das copyright system Künstler und Copyright-Industrie, anderen die kreative Adaption "ihrer" Werke zu verbieten, obwohl diese Adaption während der gesamten Geschichte ein Charakteristikum von Kulturen gewesen ist. Es ist ein westlicher Irrweg, dass Kunstwerke - und das sie umgebende, weite Feld kreativer Adaptionen - von Individuen oder gar Firmen besessen werden können und zwar für viele Jahrzehnte, wie ein Krake, der alles in seiner Reichweite ergreift. Letztlich führt es zum Einfrieren unserer Kultur. Die Vorstellung, ein Individuum schaffe aus dem Nichts heraus etwas, ist ein modernes westliches Konzept, das keine Grundlage in der Realität hat. Jeder Schöpfer, jeder Darsteller schöpft aus dem breiten Fluss früherer Schöpfungen. Bach, Shakespeare und tausende anderer Künstler, nutzten, was sie vorfanden, gleich, ob aus der Vergangenheit oder Gegenwart. Der zeitgenössische Originalitätsgedanke wird benutzt, um die Kontrolle von Kreativität durch vornehmlich kommerzielle Halter geistigen Eigentums zu rechtfertigen. Das System ist verdorben So gut wie niemand hat das Gefühl, etwas Falsches zu tun, wenn er eine Audio- oder Videokassette in Raubkopie kauft oder Musik und Filme im Internet tauscht. Viele Künstler sampeln Musik, Bilder und Texte, ohne sich dabei schuldig zu fühlen. Warum auch? Trotz aller Strafen und Propaganda zu Gunsten des Copyright-Systems lehnen es die meisten intuitiv ab, ein Konzept zu internalisieren, das ihnen falsch erscheint. Sie bezahlen schöpferische und darstellende Künstler gerne für ihre Arbeit, aber sie glauben nicht an die monopolistische Kontrolle von Kreativität. Das Copyright-System stellt nicht einmal sicher, dass die Künstler für ihre Arbeit anständig entlohnt werden. Untersuchungen haben ergeben, dass 90 Prozent des Geldes, das für die Künstler gedacht ist, lediglich an zehn Prozent der Künstler geht, während die übrigen zehn Prozent des Geldes an die übrigen 90 Prozent der Künstler geht. Diese Aufteilung der Gewinne ist offensichtlich verkehrt. Abgesehen davon ist das Copyright-System wohl kaum der Grund dafür, das Künstler etwas schaffen oder aufführen. Wir können daraus schließen, dass Konzept und Praxis des Copyrights nicht im Interesse der meisten Künstler liegt, auch nicht im Interesse der öffentlichen Zugänglichkeit von Kultur. Wir erkennen allmählich, dass das gegenwärtige System geistigen Eigentums nicht mehr reformiert werden kann. Es ist verdorben durch die industriellen Interessen der Kulturkonglomerate. Eine Rückkehr ist nur schwer vorstellbar, zumal die Digitalisierung Herausforderungen an uns stellt, auf welche die zugrundeliegende Philosophie der Autorenrechte keine Antwort bereit hält. Ist eine Alternative vorstellbar? Ich glaube schon. Aber bevor wir die Alternative diskutieren können, müssen wir den ersten Schritt betrachten. Manche Menschen mag dies schockieren, denn das Konzept des Copyrights ist ein Glaubensartikel geworden. Wir wollen es dennoch versuchen: Wir sollten das Copyright abschaffen. Dieser Forderung lassen wir sogleich die Feststellung folgen, dass der spontane Zusammenbruch des Copyrights im digitalen Bereich bereits eingesetzt hat und nicht mehr aufzuhalten ist. Natürlich sollte jemand, der beispielsweise einen Song komponiert, weiterhin das Recht haben, damit Geld zu verdienen. Das impliziert eine Form von Eigentümerschaft, denn es handelt sich nicht um den Song irgendeines Menschen, sondern um den des Komponisten. Das Problem mit dem gegenwärtigen System von Autorenrechten ist jedoch, dass die Eigentümerschaft sich auf einen zu langen Zeitraum erstreckt - alles in allem bis zu einem Jahrhundert. Und es ist zu umfassend, da es alles einschließt, was so ähnlich, ja selbst entfernt so aussieht wie das fragliche Werk. Vor allem aber blendet das Copyright aus, welch großen Einfluss das öffentliche Eigentum an Wissen und Kreativität auf das Werk jedes Künstlers hat. Kein Gedicht existiert ohne vorangegangene Gedichte. Das sollte zu dem Schluss führen, dass das Eigentum eines Künstlers an seinem Werk im Verhältnis zum gegenwärtigen status quo radikal eingeschränkt wird, zeitlich und qualitativ. Holt den Plagiator ins Boot Ein Werk, das schnell populär wird, könnte schon nach einigen Monaten ins öffentliche Eigentum überführt werden. Das passiert faktisch ohnehin in den meisten Fällen. Ein anderes Werk mag fünf oder maximal zehn Jahre brauchen. Je beliebter ein Werk wird, je größer seine Verbreitung ist, in desto stärkerem Maße geht die Beziehung zwischen Künstler und Endverbraucher verloren. Offenbar gibt es eine "Massengrenze", wenn diese überschritten ist, "lässt" die Eigentümerschaft "nach". Die zweite Begrenzung der Eigentumsansprüche betrifft die Reichweite eines Werkes. In allen Kulturen ist es Brauch gewesen, jedes beliebige Kunstwerk zu bearbeiten, zu verändern, es kreativ zu nutzen. In unserem heutigen westlichen Copyright-System ist dies verboten: Der "Eigentümer" hat die Möglichkeit, den Plagiator vor Gericht zu zerren. Dabei sollte das Gegenteil die Regel sein: Kreative Adaption und Fortführung sollten gefördert werden, um stets neue künstlerische Energien freizusetzen. Warum wäre die Abschaffung des Copyrights ein Segen für die meisten Künstler? Die radikale Beschränkung der Eigentümerschaft würde es erheblich weniger attraktiv für die Kulturindustrie machen, gezielt in einzelne Stars zu investieren, in Blockbuster-Filme, Bestseller und Merchandising. Nach der Abschaffung des Copyrights hätte jeder die Möglichkeit, Werke zu adaptieren, damit zu improvisieren, sie kreativ zu verändern. Die "Produkte" der Kulturindustrie wären weniger exklusiv. Diese könnte nicht länger das Umfeld ihrer "Produkte" kontrollieren. Das hätte weit reichende Folgen. Die Kulturindustrie würde ihren Krakengriff um die Kunstwerke verlieren, viele Künstler hätten erheblich mehr Gelegenheit als bisher, kreativ zu sein, mit dem Publikum zu kommunizieren und ein angemessenes Einkommen für ihre Arbeit zu erzielen. Sie würden nicht länger von der Kulturindustrie marginalisiert. Schließlich fiele das Kontrollmonopol über Produktion, Verteilung und Bewerbung von Kunstwerken weg. Wenn es in diesem Szenario irgendeine Rolle für Einrichtungen gibt, die Geld für die Vervielfältigung von Werken einnehmen (elektronisch oder nicht), dann ist es eine sehr bescheidene. In jedem Falle muss die gegenwärtige, nahezu grenzenlose Reichweite dieser Einrichtungen beschnitten werden. Wenn sie weiterhin Geld einnehmen, sollte dies nur auf einer begrenzten Eigentümerschaft basieren. Abgesehen davon sollte viel mehr Phantasie für die Frage aufgewendet werden, welches System so vielen Künstlern wie möglich einen fairen Anteil an den Einnahmen für ihre Werke zukommen lässt. Nichts auf dieser Welt ist selbstverständlich und per definitionem segensreich, nicht einmal unser westliches Copyright-System.-- Der Autor lehrt Politische Wissenschaft der Künste an der Kunsthochschule in Utrecht. Deutsch von Alexander Menden http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel1698/ ______________________________________________________ * Verspreid via nettime-nl. Commercieel gebruik niet * toegestaan zonder toestemming. <nettime-nl> is een * open en ongemodereerde mailinglist over net-kritiek. * Meer info, archief & anderstalige edities: * http://www.nettime.org/. * Contact: Menno Grootveld (grootveld@nrc.nl).