geert lovink on Sun, 14 Apr 2002 08:48:06 +0200 (CEST)


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[rohrpost] Re: [rohrpost] Re: Kultur-Taler für Projekte anstatt Verwalter


From: "Gerrit Gohlke" <gerrit.gohlke@gmx.de>

Herzlichen Dank, Gerrit.

> "Off" ist dabei
> inzwischen alles, was nicht den Glanz eines staatlichen Opernhauses oder
> die sklerotische Ehrwürdigkeit eines preußischen Großmuseums ausstrahlt.

Genau. Und es ist daher nur eine Frage der Zeit wenn ein Aufstand gegen
diese etablierte Kulturmaffia ausbricht. Ich glaube nicht (mehr) eine
Koalition
mit der Theater und Operwelt. Es ist eher Krieg angesagt. Zeit aufzusagen
und die offene Verschwörung des alten gegen das neue richtig offen, in all
seinen Widerwärtigkeit zu demonstrieren. Ich weiß, das macht einen nicht
besonders beliebt. Alle Kunstformen sollten Freunde sein, ja, ja, das
hört sich harmonisch an. Die Wirklichkeit ist aber eine andere. Es gibt
kein Zweck, nach Konsens zu suchen. Blockaden der Oper? Das würde
bestimmt die Lage klar machen.

> Was man den herrlich unverwalteten freien Projektmachern abseits dieser
> Eventkultur bei der übernächsten Immobilienkrise wieder wegnehmen wird,
> nimmt die Öffentlichkeit nicht einmal mehr war. Ein abgelehnter
> Projektantrag ist schließlich kein Politikum.

Was hier in Australien der Fall ist, ist nur Projektanträge, ganz ohne
Institutionen. So ist Kürzung noch viel einfacher. Wettbewerb von allen
gegen alle. Und wie du sagt, eine Absage ist ein bloss eine personelle
Fehlleistung. Da läßt sich nicht machen.

> wieder marktskeptischen Kulturproduktion. Es sind ja
> Produktionsinstitutionen, die der Kultursenat zuerst aushungert, nicht
> die Kulturschaustellen mit Tourismusförderungsprädikat.

Die neue Kultur soll sich als Popkultur verstehen (deswegen hasse ich
das Poplabel wie der Pest). Das heißt, sie soll von Anfang an nicht
von Staatsgelder abhängig gemacht werden. Das Vorrecht haben nur
die alte Kunstformen die sich museal durchgesetzt haben. Der rest
soll mit der Zwang der Wirtschaftlichkeit bekannt gemacht werden.

> Was sich in der Berliner Sparpolitik abzeichnet, ist also nicht der
> Sachzwang der Ökonomie - die am Gesamthaushalt gemessen marginalen
> Beträge verdeutlichen das -, sondern ein verändertes
> Öffentlichkeitsverständnis der Kulturpolitik, für das die
> Grundlagenarbeit unterhalb der Event-Wahrnehmungsschwelle mehr und mehr
> zur Privatangelegenheit wird.

Das stimmt. Wenn es ein Sachzwang der Ökonomie gäbe, dann hätten die
Opernhäuser längst zugemacht.

> Das mündet am Ende in den Trend zur komplexitätsreduzierten Amateurkultur.

Das wiederum weiß ich nicht. Es heißt einfach, von hieraus gesehen (in
Sydney)
das alle von Anfang an sich als kommerzielle Kulturproduzenten durchschlagen
müßen oder akzeptieren müßen das sie (ihr Leben lang) unter den
Existenzmimum
leben werden. Diese Lage, komischerweise, sagt nicht besonders viel aus
über das vorhandene Talent. Die Anzahl kritische und experimentelle Werke
ist halt besonders klein.

Ciao, Geert

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